Manchmal muss man den Jazz so laut und trotzig machen, dass alle, die gemütlich unter ihrer liberalen Decke schlummern, aufhorchen. 1982 machte der amerikanische Saxophonist Archie Shepp genau das mit seinem bahnbrechenden Album "Soul Song". Dies war nicht an einem zufälligen Ort, sondern im kulturellen Schmelztiegel von New York City, einer Stadt, die 1982 – man mag es kaum glauben – noch von einer gewissen Rohheit geprägt war.
Beginnen wir mit dem, der hinter diesem Meisterwerk steht: Archie Shepp, der selbstbewusste und oft provokante Saxophonist, dessen Spiel nicht weniger als eine Rebellion gegen das Establishment darstellte. Bekannt für seine politische und künstlerische Unabhängigkeit, bringt „Soul Song“ Shepps unbändige Energie und Hingabe für die Freiheit der musikalischen und politischen Ausdrucks auf den Punkt. Dieses Album ist ein Manifest darüber, wie Kunst wirklich sein sollte: kühn, unreflektiert und unerschrocken. Während die Jazzszene zum Zeitpunkt des Erscheinens von "Soul Song" ein Stück weit in den Einkaufsmärkten der Beliebigkeit gelandet war, wählte Shepp mit provokanten und roh klingenden Kompositionen den direktesten Weg ins Herz des Jazz-Puristen.
Davon stechen gleich mehrere Titel besonders hervor: die schneidende Intensität von „Duke’s Place“; John Coltranes unverzichtbare „Runnin’ Wild“ oder das fast meditativ-widerständische „Things Ain’t What They Used to Be“. Alles eingehüllt in die Aura des 1980er-Jazz-Panorama, das Shepp mit seiner explosiven und gleichzeitig poetischen Saxophonarbeit fast aus den Angeln hebt.
Die Entstehung dieses Albums in den Gin-getränkten Tagen der frühen 80er in New York war kein Zufall. Die Stadt war das Epizentrum der Gekreisch und der Reibungsenergie, die Künstler wie Shepp unweigerlich in ihre Kunst einfließen ließen. Während andere in Engstirnigkeit versumpften, säte Shepp mit seiner Musik die Samen des Ungehorsams und der Revolte, sowohl musikalisch als auch sociopolitisch.
"Soul Song" hielt der jazzliebenden Welt einen Spiegel vor: Es war ein Aufruf, die Köpfe aus dem Sand zu ziehen und sich statt dessen stapfend den Realitäten zu stellen, die sich in rauen Tönen um uns herum entfalten. Das Album ging weg von dermaßen disziplinierten Bewegungen, um die wahre, ehrliche und unverfälschte Seele des Jazz zu erkennen – ein Soul Song eben.
Die Aufnahmen fügten sich – wie es für Shepp typisch war – nicht geradlinig zu einer jazzigen Collage, sondern kehrten die traditionelle Jazzschule um und mischten stattdessen Elemente aus Blues und sogar afro-amerikanischen Freiheitskämpfen, wie Lincoln’s Gettysburg Adresse, in die pulsierenden Jazz-Klänge ein.
Zwar mögen einige die mannigfaltige politische Aussagekraft von "Soul Song" übersehen oder ignorieren, doch macht es diesen Meilenstein nicht weniger wertvoll. Eine Stellungnahme, die nun Jahrzehnte später nicht in Vergessenheit geraten sollte und die Selbstgefälligkeit regelmäßig herausfordert.
Einige Kritiker werden sagen, Shepp habe es darauf abgesehen, die klassische Jazz-Szene zu provozieren, aber in Wahrheit hat er bloß die Monotonie gebrochen, nur um das Menschliche in der reichlichen Erzählung zu erwecken. Jazz war nie tot, er war nur in einer unbequemen Zeitschleife gefangen, bis Künstler wie Shepp kamen, um diesem Fehltritt ein kräftiges "Nein" entgegenzusetzen. Einfach gesagt: "Soul Song" wollte nicht gefallen, es wollte Gehorsam brechen.
In einer Welt, in der Konformität als Tugend verkauft wird, erinnert uns "Soul Song" daran, dass es keinen größeren Luxus gibt als die Freiheit! Archie Shepp gab nicht nur dem Saxophon eine Seele, sondern allen, die seine Musik gehört haben, den Mut, ihre Stimmen zu eigenen Seelenliedern emporheben zu lassen.