Wie ein donnernder Wasserstrahl traf „Wasserpistole“, das Album der Berliner Indie-Rock-Band Die Sterne, 1994 die Musikszene. Die 90er waren ein Jahrzehnt der Veränderung, und dieses Album bot den Soundtrack dazu, während die Band den ungenierten Charme des Independents kombinierte mit einer Prise frecher Provokation, die selbst die hartgesottenen Kulturkritiker zum Stolpern brachte. Musikalisch angesiedelt in der wohlklingenden Stadt Hamburg, ebneten Die Sterne mit diesem Album den Weg für eine neue Welle des deutschsprachigen Indie-Rocks.
„Wasserpistole“ bescherte uns zehn Tracks voller bissigen musikalischen Statements. Diese Band spricht Klartext! In klassischer Sterne-Manier wird kein Blatt vor den Mund genommen, wenn es um gesellschaftliche Kritik geht – doch, wie es sich für wahre Musikpioniere gehört, ist diese Kritik mit dem Zauber von Gitarrenriffs und eingängiger Melodie verschleiert, sodass man die Botschaft nur beim genauen Zuhören enträtseln kann. Aber das sollten wir von guter Musik eh erwarten: nachdenken statt nachplappern.
Der Opener „Universal Tellerwäscher“ setzte dabei gleich den richtigen Akzent mit seinem klugen Wortwitz. Die Geschichte eines Tellerwäschers, der versucht, sich aus seiner festgefahrenen Situation zu befreien – ein konservativer Traum, wenn man so will. Das Streben nach persönlichem Erfolg, das Überwinden von Hindernissen, das Streben selbst – alles Tugenden, die hier mit poppiger Musikalität untermalt werden.
Das Interessante an „Wasserpistole“ ist auch das Timing. Die Sterne brachten das Album in einer Ära heraus, die von einem aufkeimenden Idealismus geprägt war. So verleihen ihre Songs mit einer ordentlichen Portion satirischem Humor unbequem richtige Antworten auf die falschen Fragen. Neben ihrem thematischen Aufruf zur Verantwortung liegt die Stärke von „Wasserpistole“ auch in der musikalischen Untermalung. Die Verschmelzung von Indie, Pop und Rock mag auf den ersten Blick wild erscheinen, trifft jedoch genau auf die Facette einer kämpferischen Generation.
Der Song „Süchtig“ ist ein weiteres Highlight des Albums. Man höre und staune über die subtile, aber dennoch tiefgründige Message zur Sucht nach gesellschaftlicher Anerkennung und die Suche nach dem wahren Ich. Nüchtern betrachtet mag es manchen als Hymne erscheinen, die aus dem Leben selbst geschrieben ist und weniger als Musik – ein Beispiel für die eindrucksvolle poetische Kraft, die der echte Rock verbergen kann.
Zwar teilt nicht jeder die Meinung, dass „Wasserpistole“ ein Meilenstein der Musikgeschichte ist, aber wer kann schon abstreiten, dass die Band mit diesem Werk eine ganze Generation geprägt hat? Sie haben einen Raum geschaffen, der Diskussion nicht nur zulässt, sondern fördert. Während andere sich im politischen Einheitsbrei verlieren, gelingt es Die Sterne, mit unverblümter Ehrlichkeit komplexe Themen mühelos umzusetzen und so eine musikalische Erzählung zu schaffen, die sowohl belehrt als auch begeistert.
Mit einer gehörigen Portion Schlagfertigkeit und künstlerischem Anspruch ist „Wasserpistole“ eben mehr als nur ein Stück Musik; es ist eine Art Kompass. Die klare, manchmal bissige Perspektive scheint die Band unverwechselbar in eine konservative Ecke einordnen zu wollen, aber auf der positiven Seite: Ein bisschen Klarheit und gesunder Menschenverstand tut niemandem weh, oder?
Wer noch nicht das Vergnügen hatte, sich mit dem Album auseinanderzusetzen, sollte die Scheibe schleunigst in die Playlist aufnehmen. Was mit einer spritzigen Idee wie „Wasserpistole“ begann, hat sich in der Musikwelt etabliert. Warum? Weil es ein Ohr für kritische Themen gibt – verpackt in einer Melodie, die nicht vergisst, zu unterhalten.