J.R.R. Tolkien war nicht nur ein Schriftsteller, sondern eine ganze Institution in der Welt der Literatur. Der britische Autor erschuf seine Meisterwerke im frühen 20. Jahrhundert, inmitten einer sich rapide wandelnden technologischen und gesellschaftlichen Landschaft. Die großen Fragen des Krieges und Friedens, des Guten und Bösen fanden ihren Platz in Tolkiens mythologischen Erzählungen, die er mit unvergesslichen Charakteren und einer detaillierten Weltgeschichte seiner Fantasiewelten ausstattete. Aber warum sollten wir heutzutage die Werke eines Mannes würdigen, der in einer Epoche lebte, die von den heutigen moralischen und sozialen Vorstellungen so weit entfernt scheint?
Beginnen wir mit der offensichtlichen Antwort: Tolkien verstand es, Geschichten zu erzählen, die zeitlos sind. In einer Welt, die zunehmend vom hektischen Alltag bestimmt ist, bietet Tolkiens Mythologie eine Möglichkeit zur Flucht in eine Welt, in der traditionelle Werte noch Bedeutung haben. Seine Schöpfung von Mittelerde ist nicht nur ein Zufluchtsort für die Fantasie, sondern stellt auch eine klare moralische Ordnung dar, die vielen heutigen liberalen Ansichten widerspricht, indem sie keine moralische Relativität zulässt.
Tolkiens Werke sind voll von symbolischen Kämpfen, die oft als Analogien für militärische Konflikte oder politische Ideologien des 20. Jahrhunderts dienen. Die epischen Schlachten bieten mehr als bloß Geschichten von heroischem Mut. Sie sind verkörpert mit Prinzipien von Ehre, Pflicht und Treue, die in unserer modernen, oft verwässerten gesellschaftlichen Vorstellungskraft fehlen. Wenn Böses ganz klar böse ist und Gutes kompromisslos gut, ist die moralische Klarheit erfrischend, besonders in einer Zeit, in der alles grau in grau gesehen wird.
Viele Kritiker werfen Tolkien vor, dass seine Weltsicht zu simpel sei, dass seine Darstellung von Rassen und Kulturen problematisch sein könnte. Diese Kritiken stammen meist aus einem postmodernen, liberal geprägten Weltbild, das keine klaren Absoluta anerkennt. Doch gerade die konkreten und festen Strukturen seiner Mythologie sind es, die den Leser immer wieder anziehen. Tolkien zeigte eine Welt, die auf den unschätzbaren Werten der westlichen Zivilisation basiert. Werte, die derzeit leider in Vergessenheit zu geraten drohen. Er bietet uns Eingebung durch eine klare Unterscheidung zwischen richtig und falsch.
Weiterhin ist Tolkiens Werk ein wunderbares Beispiel für den unwiderstehlichen Reiz der traditionellen Erzählstruktur. In einer Ära, in der der Held oft ebenso fehlerhaft und zynisch ist wie der Bösewicht, gibt uns Tolkien etwas, das wir instinktiv vermissen: Helden, die wirklich heldenhaft sind, und Schurken, die unsere Verachtung verdienen. Die Reise von Figuren wie Frodo und Aragorn erhebt sich über die Geschichte und wird zu einem universellen Menschheitsdrama.
Darüber hinaus ist Tolkiens Liebe zur Natur, die oft als romantisch oder idealisierend interpretiert wird, eine Erinnerung daran, dass wahre Schönheit einfach und unberührt ist. In einem Zeitalter, wo die Betonwüste immer mehr Raum einnimmt, erinnert uns Tolkien an die ursprüngliche Unschuld der Natur – eine Harmonie, die wir zu oft für uns als selbstverständlich betrachten.
Ein weiterer Punkt, der nicht übersehen werden darf, ist Tolkiens Rolle als Sprachschöpfer. Die von ihm entwickelten Sprachen sind mehr als nur gekonnte Fiktion; sie verleihen seiner Mythologie eine Authentizität, die bis heute unübertroffen bleibt. Darin liegt etwas Lehrreiches: Die Pflege und Förderung von Sprache ist entscheidend für die Bewahrung und Entwicklung jeder Kultur. Tolkien gab uns die Freude an der Sprache zurück.
Inmitten der hypermodernen Erzählungen, die realistische und „dunkle“ Ansichten bevorzugen, zieht Tolkiens Welt eine Linie im Sand. Wer die epischen Tolkien’schen Welten betritt, wird, ob er will oder nicht, mit Idealen und Werten konfrontiert, die klar und kompromisslos sind. Seine Werke fordern auf, sich gegen die Nivellierung der „Komplexität“ zu stellen und die Erfüllung in der Einfachheit von Gut und Böse zu finden.
Tolkien steht für etwas, das unsere heutige Gesellschaft dringend braucht: die Akzeptanz von Anerkennung des Mythos als eine Form der höheren Wahrheit. Indem wir seine Geschichten lesen, erhalten wir Einblick in das, was echte Werte und Traditionen ausmacht. In einer Zeit der ständigen Suche nach Identität und Zusammenhang, kehrt Tolkien zu den Wurzeln der menschlichen Erfahrung zurück und zeigt uns, dass nicht alles neu erfunden werden muss, um bedeutend zu sein.