Es gibt wohl nichts Unterhaltsameres als ein Schauspielhaus voller Menschen, die sich gerne selbst darzustellen wissen. Theater, so sagen manche, ist die Kunst des Möglichen, ein Portal zu Welten, die nie existierten und doch realer erscheinen als die chaotische Gegenwart. Im 6. Jahrhundert v. Chr. begann das Theater in den Hügeln von Athen, als die Menschen dort noch ohne Smartphones, aber bereits mit ausreichend Dramatik im Gepäck saßen. Damals waren es die Flüchtlinge aus dem Krieg, die ihre Geschichten erzählten. Heute sind es Menschen mit einem überhöhten Gefühl für ihre eigene Bedeutung.
Aber warum fasziniert das Theater noch? Vielleicht, weil es stets eine Bühne für große Köpfe war, die es wagten, gegen den Strich zu denken. Die große Tragödie von Sophokles oder die Komödie von Aristophanes, diese Werke haben alle Zeit überdauert und scheinen doch heute aktueller denn je. Wer, wenn nicht Shakespeare, beschrieb den Menschen als einen "Schauspieler", der viele Rollen in einem kurzen Leben ausspielt? Er wusste, was er tat, als er den Vorhang für diese reisende Truppe hob.
Ein Theaterstück bringt nicht bloß den Menschen zum Weinen oder Lachen, es bringt zum Denken und Diskutieren. Die sogenannte Katharsis, die Reinigung durch Kunst, war bereits Aristoteles' Art, uns den Spiegel vorzuhalten. Ein Trick, den liberale Geister gerne zu ignorieren scheinen, während sie sich an illusorischen Idealvorstellungen erfreuen. Der Theaterbesuch ist dabei längst nicht nur Vergnügen, sondern auch ein Ritual der Bildung. Ein intellektueller Kampf, der Verstand und Geist gleichermaßen fordert.
Kommen wir zur Struktur. Was macht ein gutes Theaterstück aus? Kein Ort auf der Welt ist so unbestechlich wie der hölzerne Boden einer Bühne, der die Wahrheit scheppert wie ein krachendes Echo, das die besseren Tage biblisch widerklingen lässt. Da sind Akte wie Kapitel in einem Lebenslauf. Die Spannung wird aufgebaut, entfaltet und schließlich erlöst. Ohne Struktur wäre das alles nur Hörensagen.
Erstens haben wir den Prolog, eine sanfte Einführung in die Sache, das Aufziehen des Vorhangs, die Enthüllung des Mysteriums. Es ist die Prämisse, der Grundstein jeder großen Erzählung. Der Prolog gibt uns die Regeln dieses Universums vor, ein bisschen wie die einfachen, aber harten Regeln des altbekannten Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiels, nur mit besseren Dialogen.
Der zweite und dritte Akt führen uns tiefer in das Herz des Dramas. Hier entfaltet sich die ganze Herrlichkeit des Konflikts. Es sind diese Akte, die unser Herz zum Rasen bringen und unsere Gedanken fesseln wie eine gut geschlagene Zigarre. Der Konflikt ist das Fleisch auf dem Knochen, das, was uns zwingt, unsere Fäuste zu werfen oder unsere Herabwürdigungen zu zistern. In dieser Hölle der Linien offenbart sich der Wahn des Menschen und seien wir ehrlich: Wer behauptet, er wäre nicht interessiert daran, lügt oder ist blind.
Der vierte Akt ist die Vorbereitung auf die Erlösung. Die Rätsel des Lebens werden zu Schlussfolgerungen zusammengefügt. Ein Billigimpuls wäre der Schlussstrich, den ein Filialleiter unter ein Monatsmietkostenbuget setzt. Aber wir sind hier im Theater, da ist selbst das Unmögliche möglich!
Schließlich der fünfte Akt, die Abrechnung. Wie oft haben wir diesen letzten Punkt erreicht, nur um festzustellen, dass das Ziel längst keine Rolle mehr spielt? Das Spiel steht im Fokus. Hier, in diesem seltenen, freilaufenden Augenblick, lichten sich die Nebel der Unwissenheit. Der Hauptvorhang schließt sich und lässt uns mit uns selbst allein, bereit uns einer mitternächtlichen Diskussion hinzugeben, bewaffnet mit Themen, die unsere Sicht auf alles ändern können.
In der heutigen Welt, mit ihrer immer kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspanne, hat das Theater eine unverzichtbare Funktion. Kein Tweet und kein Insta-Post kann die Erfahrung ersetzen, sich in einem Raum voller Sehnsüchte und Träume zu verlieren. Die Bühne bietet uns eine Vorstellung, die in uns widerhallt, während wir uns fragen, wohin diese modernen Mogelpackungen führen sollen.
Ein Theaterabend ist eine Einladung zum Nachdenken, ein intellektueller Höhepunkt der Woche, die in der Spiegelung der Masken, Stimmen und Götter ihren Ausdruck findet. Ein kleines Wunder, das uns dazu bringt, die Menschlichkeit von all dem nicht zu vergessen. Würden wir alle ein wenig öfter der Macht und Magie des Theaters unterliegen, vielleicht wären wir in der Lage, ein wenig weniger hektisch und ein bisschen friedlicher miteinander umzugehen.