Wer hätte gedacht, dass ein Low-Budget-Film so viel Wirbel machen könnte wie Tausendfüßler? Der 2019 erschienene Film unter der Regie von Rainer Hensch hat nicht nur die cineastische Landschaft erschüttert, sondern auch einige moralische Diskussionen entfacht. In einer Zeit, in der Hollywood-Filme oft als Lehrstücke der politischen Korrektheit daherkommen, geht Tausendfüßler seinen eigenen Weg, was weder sanft noch subtil ist.
Wer spielt mit? Jona Berk und Lena Fischer führen die Liste der, für einige, unbekannten Schauspieler an, die in dem Film ihre starken Darbietungen abliefern. Tausendfüßler ist in Deutschland gedreht worden und erinnert an die ungeschminkten Darstellungen des menschlichen Zustands, die man in Mainstream-Kinos selten sieht. Der Film stellt nicht nur Unterhaltung dar, sondern ist auch ein ungemütlicher Spiegel unserer Zeit.
Originalität in Zeiten der Überarbeitung ist das, was diesen Film ausmacht. Während Blockbuster oft von Fortsetzungen und Neuauflagen beherrscht werden, bietet Tausendfüßler eine frische, wenn auch schockierende Perspektive. Nicht zuletzt werden moralische Fragen aufgeworfen, die den Zuschauer zwingen, nachzudenken, anstatt einfach zu konsumieren.
Worum geht es in diesem Werk? Ohne zu viel zu verraten, zieht der Film den Zuschauer in eine hypnotische und beunruhigende Atmosphäre, indem er Themen wie Besessenheit, Selbstkult und die Dysfunktion der modernen Gesellschaft behandelt. Im Gegensatz zu den geschönten Geschichten á la Hollywood, zeigt der Film die unbequemen Wahrheiten, die sonst unter den Teppich gekehrt werden.
Die Erzählweise von Tausendfüßler bricht mit den Konventionen. Statt eines linearen Verlaufs navigiert der Zuschauer durch ein Labyrinth von Eindrücken und Einsichten, was den Film zu einer wahren Kunstform erhebt. Dieses Strukturmerkmal könnte jedoch für Durchschnittszuschauer, die sich an vorhersehbare Handlungsstränge gewöhnt haben, etwas verwirrend sein.
Solche mutigen Darstellungen werden oft von Kritikern und der Hollywood-Polizeifunktion der Korrektheit verworfen. Während andere Filme die Massen mit beständigen Anleihen an politische Leitbilder erfreuen, hinterfragt Tausendfüßler die Rhetorik und benutzt seine Plattform nicht zur Verbreitung abgeschlossener Narrative, sondern zu harter Realität.
Ein zusätzlicher Pluspunkt sind die ästhetischen Entscheidungen, die zwar nicht immer dem einheitlichen Geschmack entsprechen könnten, jedoch die experimentelle Natur des Films unterstreichen. Die rustikalen Schauplätze und der Einsatz von Licht und Schatten tragen zur düsteren, doch facettenreichen Atmosphäre des Films bei.
Im großen Getöse des modernen Kinos wird man selten auf Werke stoßen, die sich so deutlich von der Masse abheben und kritische Fragen an die etablierte Ordnung stellen – Fragen, die so klar und direkt sind, dass sie bei manchen sogar Übelkeit hervorrufen. Hier geht es nicht mehr um pure Unterhaltung, sondern um die brennende Notwendigkeit, sich den Herausforderungen der modernen Gesellschaft zu stellen.
Zeit für ernsthafte Auseinandersetzungen ist genau das, was Tausendfüßler von seinen Zuschauern verlangt, und das nicht auf verschlossene oder belehrende Art, sondern durch rohe und ehrliche Bildsprache. In einer Zeit, in der Filme oft das Demokratieverständnis predigen, das von einer einzigen Ideologie durchtränkt ist, bietet dieser Film eine erfrischende, wenn auch unruhige, alternative Sicht auf das Leben, ohne naive Träumereien oder moralische Oberlehrerschaft.
Es bleibt zu sagen: Was wir aus Filmen wie Tausendfüßler lernen können, ist, dass es an der Zeit ist, die Werte des Einzelnen zu hinterfragen und sich nicht von populären Narrativen leiten zu lassen. Weil es Filme wie diesen braucht, die den Mut haben, um versteckte Wahrheiten ans Licht zu bringen und uns dazu zu zwingen, uns in die Unbequemlichkeit zu flüchten, anstatt in Selbstzufriedenheit zu verharren.
Inmitten der allgemeinen Zensur und der ständigen Sorge um Zustimmung und politische Korrektheit könnte es also von Vorteil sein, gelegentlich die übliche Vorlieben und Errungenschaften der Filmindustrie zu hinterfragen. Ist es nicht erfrischend, die Routine der liberalen Hollywood-Maschinerie durch ein Werk zu durchbrechen, das uns emotional und intellektuell wirklich fordert?
Wenn man sich also für Filme interessiert, die den Zuschauer nicht als Konsumenten, sondern als aktiven Teilnehmer betrachten, dessen Perspektive herausgefordert wird, dann ist Tausendfüßler ein Werk, das man nicht verpassen sollte.