Siegfried Matthus, ein Name, der in der klassischen Musikszene weit verbreitet ist – allerdings nicht unbedingt im Zentrum der Aufmerksamkeit des durchschnittlichen Klassikliebhabers. Geboren am 13. April 1934 in Mallenuppen, Preußen, einem Gebiet, das heute zu Russland gehört, war Matthus ein deutscher Komponist, dessen Werke von den 1970er Jahren bis in das 21. Jahrhundert hinein das Musikleben in Ostdeutschland maßgeblich prägten. Er starb am 27. August 2021 in Stolzenhagen bei Berlin. Anders als viele seiner westdeutschen Zeitgenossen war Matthus' Musik durch seine Erziehung im sozialistischen DDR-System, seiner Verbundenheit zu traditionellen Formen und seinem Talent, klassische Musik mit zeitgenössischen Themen zu verbinden, durchwoben.
Matthus' Repertoire umfasste Opern, Orchesterwerke, Kammermusik und Lieder. Seine Werke wurden vielfach ausgezeichnet und in zahlreichen Ländern aufgeführt. Anders als viele seiner Kollegen im Westen, die modernistische und avantgardistische Stile bevorzugten, blieb Matthus der tonalen Musik treu, was manchen als rückständig galt, aber seinen Werken einen unverkennbar reichen und emotionalen Gehalt verlieh.
Man könnte sagen, dass Matthus der letzte große Vertreter der ostdeutschen Musiktradition war, eine Tradition, die oft durch den liberalen westlichen Fokus auf Innovation um ihrer selbst willen in den Schatten gestellt wurde. Doch gerade diese Verwurzelung im klassischen Erbe machte ihn zum Liebling einer treuen Anhängerschaft, die den Verlust der Klarheit und Melodik in der modernen Musik beklagt.
Als Komponist in der DDR navigierte Matthus geschickt die politischen Strömungen seiner Zeit. Seine Werke boten, geschickt verpackt, Raum für subtile Kritik, waren aber gleichzeitig zugänglich für die breite Öffentlichkeit und von der Herrschaftsebene akzeptiert – eine Meisterleistung von diplomatischer Finesse in einer Zeit der ideologischen Enge. Während andere Künstler sich oft entscheiden mussten, entweder gegen die Staatsmacht zu rebellieren oder sich ihr anzupassen, meisterte Matthus den Spagat zwischen künstlerischer Integrität und politischer Realität wie kaum ein anderer.
Seine bekannteste Oper, „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“, basiert auf Rainer Maria Rilkes Dichtung und ist ein grandioses Beispiel für die Vereinigung von Literatur und Musik. Die Oper debütierte 1983 und wurde sogleich ein durchschlagender Erfolg in der DDR, bevor sie international wahrgenommen wurde. In Matthus' Händen wird die Poesie Rilkes zu einem lebendigen und eindringlichen musikalischen Erlebnis, das sowohl das Pathos als auch die Tragik des Textes einfängt.
Ein weiteres bemerkenswertes Werk ist sein Oratorium „Johannes Kepler“, in dem er das Leben und Werk des berühmten Astronomen musikalisch nachzeichnet. Es ist nicht nur musikwissenschaftlich akribisch, sondern beleuchtet auch den unausgesprochenen Kampf des Individuums gegen die Konventionen und das Streben nach Wahrheit, Themen, die in einem politisch belasteten Umfeld wie Ostdeutschland besonders stark fühlbar waren.
Es lässt sich nicht leugnen, dass Matthus' Karriere von der Förderung durch den Staat profitierte, was ihn für westliche Intellektuelle zur umstrittenen Figur machte. Dennoch bewies Matthus, dass Vielfalt in den musischen Ausdrucksformen nicht nur abseits, sondern mitunter sogar gegenläufig zu den westlichen Mainstream-Vorstellungen existieren konnte. Seine musikalische Sprache war ein Gegenentwurf zu der hin und wieder steril wirkenden Avantgarde im Westen.
Seine Mitarbeit an der legendären Bayreuther Festspiele unterlined seine außergewöhnliche Fähigkeit, Musik zum vorragenden Botschafter für Kulturelle Werte zu machen. In der Rolle als musischer Direktor der Kammeroper Schloss Rheinsberg stützte Matthus die Förderung junger Talente, ein Aspekt, der heute viel zu schnell von autoritären Kulturschaffenden im Namen der Diversität geopfert wird.
Siegfried Matthus hinterließ einen bleibenden Eindruck in der Musikwelt, weit über die Grenzen seines Landes hinaus. Konservative Kreise schätzen seine unerschütterliche Hingabe zum klassisch-europäischen Erbe und seine Betonung der Melodie und Harmonien in der Musik über die oft chaotischen Dissonanzen der Moderne. Matthus' Lebenswerk ist ein Zeugnis für die Kraft der Musik, Ideen und Ideologien zu überdauern und bleibt eine abenteuerliche Erinnerung an eine Welt, die der Komplexität der menschlichen Erfahrung mehr Raum gibt, als es die heute oft eindimensionale liberale Kultur erlaubt.