Stellen Sie sich eine Zeit vor, in der das Kino nicht nur der Unterhaltung diente, sondern auch dazu beitrug, die Gesellschaft zu hinterfragen. Der deutsche Film „Perfekt“ aus dem Jahr 1985 ist genau so ein Werk. Inszeniert von dem visionären Regisseur Rudolf Thome, erzählt dieser Film die Geschichte von einem scheinbar perfekten Leben eines Börsenmaklers in Frankfurt, das sich langsam als Trugbild entpuppt. Gezeigt auf den Filmfestspielen München, entlarvt der Film die oberflächliche Glücksdefinition der 80er Jahre.
Die Hauptfigur, gespielt von Hanns Zischler, verkörpert den konservativen Erfolgsmenschen, der alles hat: Reichtum, Ansehen und eine makellose Familie. Doch hinter dieser Fassade lauert das Chaos. Im Zeitalter des kapitalistischen Aufschwungs adressiert „Perfekt“ Themen wie Moral, Gier und Selbstverwirklichung. Stellen wir uns die Frage: Sind diese Themen nicht aktueller denn je? Und ja, dieser Film wagt es, dem Publikum einen Spiegel vorzuhalten und die verführerischen Schranken des Kapitalismus zu durchbrechen.
Natürlich mussten sich die Macher des Films einer ständigen Kritik der damaligen Filmkritikerelite stellen, die von einer überheblichen Intelligenz durchsetzt war. Diese Eliten bestanden darauf, Filme müssten einem bestimmten, liberalen Weltbild entsprechen, das ihre verzerrte Vorstellung von gesellschaftlichem Fortschritt unterstützte. "Perfekt" jedoch ging gegen den Strom, wagte es, die oft blinde Zustimmung zum Status quo infrage zu stellen, die von eben diesen Kritikern gepflegt wurde.
Thome lässt seine Charaktere nicht in utopischen Träumen schwelgen, sondern konfrontiert sie mit realen Dilemmata. Das ist nicht immer angenehm zu beobachten, aber auch nicht jeder Film muss wie ein bequemes Sofakissen sein, oder? In einer Welt, die oft romantisiert und verharmlost wird, ist „Perfekt“ eine notwendige Erinnerung daran, dass nicht alles Gold ist, was glänzt.
Ein spannendes Element des Films ist die Art und Weise, wie Thome visuell erzählt. Die Schnittführung und Bildkomposition sind meisterhaft und erzeugen eine Spannung, dass man sich fragt, zu welchem Ende das alles führen mag. Ist es der Ausbruch eines neuen Lebens oder der Zusammenbruch dessen, was bisher als perfekt angesehen wurde? Diese kunstvolle Darstellung zieht den Zuschauer in eine Achterbahnfahrt der Emotionen.
Ein weiteres Thema, das der Film anspricht, ist das Konzept des Glücks. Was bedeutet Glück in einer materiell gesättigten Gesellschaft? „Perfekt“ fordert seine Zuschauer auf, über die grundlegenden Werte ihres Lebens nachzudenken: Macht, Geld, Familie. Dies dürfte viele derjenigen, die das Leben durch die rosarote Brille des ideologischen Konformismus betrachten, aufrütteln.
Die Kulisse der Frankfurter Börse und der obere Mittelstand der 80er Jahre ist der perfekte Rahmen für eine Geschichte, die sowohl als Krimi als auch als existenzielles Drama gelesen werden kann. Die feine Balance zwischen Spannung und Tiefsinn macht „Perfekt“ zu einem zeitlosen Klassiker, der nie auch nur annähernd die Anerkennung erhalten hat, die er verdient.
Rudolf Thome legt den Finger dorthin, wo es weh tut, und schont dabei weder seine Protagonisten noch seine Zuschauer. Aber es sind gerade diese unkonventionellen Themen, die „Perfekt“ zu einem Film machen, der langfristig Eindruck hinterlässt. Die unbequeme Wahrheit, die hinter der sorgsam konstruierten Perfektion lauert, verlangte förmlich nach einem unerschrockenen Regisseur wie Thome.
Man könnte sagen, "Perfekt" ist der unbequeme Weckruf, den eine verklärte Gesellschaft dringend benötigte und auch heute noch benötigt. Liebhaber von starken, herausfordernden Filmen finden hier reichlich Stoff zum Nachdenken. Es ist eine Einladung, die üblichen Sichtweisen beiseite zu legen und tiefere Überlegungen über persönliche und gesellschaftliche Wertsysteme anzustellen.
Selbst wenn einige Dialoge heutzutage etwas antiquiert wirken mögen, bleibt die grundlegende Aussage des Films unverändert stark. Er bietet einen kraftvollen Kontrapunkt zu den politisch korrekten Narrativen, die heute die kulturelle Landschaft dominieren. Es ist Zeit, "Perfekt" wieder auf unseren Bildschirmen willkommen zu heißen und seine unbequemen Fragen mit offenem Geist zu betrachten.