Peire Vidal, der exzentrische und leidenschaftliche Troubadour des 12. Jahrhunderts, wäre heute der Typ Mensch, der die selbsternannten Gutmenschen in den Wahnsinn treiben würde. Warum? Ganz einfach: Er tat und sagte, was immer ihm in den Sinn kam, unabhängig von gesellschaftlichen Konventionen oder liberalem Getue. Peire wurde etwa um das Jahr 1175 in Toulouse geboren und war besonders aktiv an den südlichen Höfen Frankreichs sowie in Aragonien und Norditalien. Seine Werke und sein Leben waren eine Parade von Eskapaden, die so mancher im heutigen moralisch überkorrekten Umfeld als provokativ empfinden könnte. Peire war bekannt für seine scharfe Zunge, seinen grenzenlosen Ehrgeiz und eine unerschütterliche Selbstüberschätzung, die ihn in Schwierigkeiten mit zahlreichen Edlen und Damen brachte.
Der Mann jonglierte mit Worten und Melodien, als ob er ein Spieler vor dem Herrgott wäre. Seine Liebeslieder und Satiren voller Witz und Ironie waren ganz sicher nicht für die dünnhäutigen Seelen von heute gedacht. An Peire war nichts zahm oder zurückhaltend. Er lebte in einer Zeit, in der man noch sagte, was man dachte, ohne ständige Angst, jemand könnte sich beleidigt fühlen. Peire Vidal war der Vordenker jener, die heute meinen, mit ihrer überzogenen Political Correctness könnten sie Kulturen besser und sicherer machen. Peire sorgte für Skandale – von einer Scheinhochzeit mit einem Wolfspelz bis hin zu häufigen Raufereien. Seine Abenteuerlust und der Drang, sich Respekt zu verschaffen, reflektieren eine Zeit, in der individuelle Freiheit und Ausdruck fetischisiert wurden. Damals waren Troubadoure wie moderne Rockstars, die sich nicht scheuten, das Ungeheuerliche zu verkünden. Sie waren die Helden ihrer Zeit, und Peire war sicherlich einer der wagemutigsten.
Man stelle sich vor, ein Mann von Peires Kaliber würde in der derzeit hypersensiblen Welt auftreten. Die öffentliche Empörung wäre gewiss groß und spektakulär. Seine präsentierten Strophen könnten als 'anstößig' bezeichnet werden, seine Liebe zu romantischen Affären würde unklugen Aktivisten neuen Stoff für Moralanprangerungen bieten. Es wundert nicht, dass Vidal, der einmal fälschlicherweise behauptete, König von Aragon zu sein, wohl die heutigen vermeintlichen Expertem für Fake News erschüttern würde. Aber der Kern seines Schaffens war immerhin die Kunst selbst, seine makellose Technik beim Dichten und seine Fähigkeiten als Performer – Dinge, die in unserer schnellen Konsumgesellschaft oftmals in Vergessenheit geraten.
Sein Leben war eine ständige Herausforderung gegen jede Form von Bevormundung, genau das, was heute als unpopuläre Meinung gilt. Sehr befriedigend ist das für all jene, die noch Träume von abenteuerlichem Kämpfervokabular und nonkonformistischen Ansichten haben. Wo sind sie, die mutigen Stimmen, die sich trauen, unliebsame Wahrheiten auszusprechen, ohne ständig auf Eierschalen zu laufen? Was Peire Vidal uns zeigt, ist, dass rauer Charme und die Fähigkeit zur Provokation notwendige Bestandteile einer lebendigen Kultur sind, die auf Vielfalt von Gedanken und Ideen setzt.
Der Einfluss von Peire Vidal ist noch lange nicht erschöpft, solange wir nicht den Wert seiner Furchtlosigkeit erkennen. Ein wahrer Meister des mittelalterlichen Repertoires, der den Mainstream verlässt und das ausspricht, worüber andere nur heimlich tuscheln. Wir könnten ihn beinahe beneiden – seines unerschütterlichen Eifers und seiner Hingabe zur Kunst wegen. Indem wir ihn ehren, sollten wir nicht seine Fähigkeit zum Schocken und seine wagemutige Lebensweise vergessen, denn genau hierin liegt die Essenz der wahnsinnigen Energie, die uns antreiben sollte, unsere eigene Originalität und Authentizität zu entdecken.