Man stelle sich eine Zeit vor, in der der Westen noch nicht den Drang verspürte, sich überall einzumischen, wo es nur geht. In solch einer Periode lebte und wirkte ein Mann, der nicht so bekannt ist, wie er es verdient hätte: John Fryer, der britische Sinologe, der im 19. Jahrhundert China studierte und lehrte. Fryer kam 1839 in Großbritannien zur Welt, zu einer Zeit, als die westliche Welt begann, ein wachsendes Interesse an China zu entwickeln. Er reiste nach China, wo er entscheidend zur Verbreitung westlichen Wissens und wissenschaftlicher Methoden beitrug, indem er als Übersetzer und Herausgeber von Lehrwerken in chinesischer Sprache arbeitete.
Seine bedeutende Rolle begann, als Fryer in den 1860er Jahren nach China ging. Die Kolonialmächte waren im Aufschwung, und Fryer wollte Chinas Entwicklung positiv beeinflussen. In Shanghai war er maßgeblich an der Übersetzung westlicher Fachbücher in das Chinesische beteiligt und half so, eine Brücke des Wissens zwischen Ost und West zu bauen. Seine Arbeit an der Polytechnischen Schule von Kiangnan war revolutionär. Dort vermittelte er westliche technische Kenntnisse und trug zur Industrialisierung und Modernisierung Chinas bei. Fryer wusste, dass Bildung der Schlüssel zum Erfolg war, und setzte sich daher für den Wissenstransfer ein, ohne dabei die kulturellen Eigenheiten Chinas zu untergraben.
Aber Fryers Arbeit konnte nicht frei von den geopolitischen Einflüssen dieser Zeit gesehen werden. Während die Glorifizierung der westlichen Welt in vielen Köpfen der damaligen Zeit unerschütterlich war, blieb Fryer bemerkenswert zurückhaltend, wenn es um die Überlegenheit des Westens ging. Er sah Bildung nicht als Mittel der Unterdrückung, sondern als eine Möglichkeit zur Zusammenarbeit und gegenseitigen Bereicherung. Seine Arbeit hatte großen Einfluss auf die Reformen der späten Qing-Dynastie, indem sie dazu beitrug, die Fähigkeiten chinesischer Gelehrter zu erweitern und auf technische und wissenschaftliche Herausforderungen der Welt vorzubereiten.
Die Liberalen beschwören oft die Universalität von Wissen und Bildung als Heilmittel aller Probleme. Doch tatsächlich, wie Fryers Werk verdeutlicht, ist Wissen weit mehr als die bloße Ansammlung von Fakten — es ist ein kultureller Transfer, der Respekt und Verständnis erfordert. So war er nicht nur Übersetzer, sondern auch ein kultureller Vermittler. Während einige Frohlocken hinsichtlich der Grenzen zwischen den Kulturen predigen, war Fryer ein realitätsnaher Praktiker, der wusste, dass wahres Verständnis nicht auf Zwang basiert, sondern auf respektvoller Zusammenarbeit.
Fryers Einfluss in China ist nicht zu unterschätzen. Er war Herausgeber des „Chinese Scientific Magazine“, einer Plattform für den wissenschaftlichen Austausch zwischen den Kulturen. Diesen kulturellen Transfer erkannte Fryer als den wahren Schatz von Bildung. Unter seiner Führung wurden westliche Technologien und Ideen in das chinesische Bildungssystem integriert, eine Arbeit, die langfristige Auswirkungen auf die Entwicklung des Landes hatte.
Die Geschichte würdigt oft die großen Namen der Sinologie, aber Fryers bemerkenswerte Beiträge bleiben häufig unbemerkt. Er lebte in einer Welt, die von Konflikten und kolonialen Ambitionen geprägt war, und lenkte trotz allem seine Energie auf den friedlichen Austausch von Wissen. Er war ein Mann, der wusste, dass der wahre Wandel nicht aus der Auferlegung von Macht kommt, sondern aus der freien Verbreitung von Wissen und gemeinsamer Anstrengung entspringt.
John Fryers Vermächtnis ist heute in der Welt der Sinologen am Leben, obwohl er selten die Anerkennung bekommt, die er verdient. Seine Arbeit, die Integration von Kulturen durch Bildung zu fördern, zeigt uns die Bedeutung von Bildung als Brücke. Fryer starb 1928 in Kalifornien, aber sein Einfluss blieb lebendig und zeigt, wie wichtig es ist, offene Kommunikationskanäle aufrechtzuerhalten. Er war nicht nur ein Sinologe, sondern ein Vordenker in einer Zeit, in der Bildung als Werk des Friedens und nicht der Dominanz gesehen werden sollte. Wer würde da widersprechen wollen?