Eine Schrift kann mehr über eine Gesellschaft aussagen als tausend Worte. Fraktur, die auffällige, gotische Schriftart, die im deutschen Sprachraum vom 16. bis ins 20. Jahrhundert dominierte, fasziniert und polarisiert noch heute. Erfunden von deutschen Buchdruckern in der Renaissance, war Fraktur die Schriftsprache von Martin Luther, Goethe und Schiller. Fraktur ist nicht nur eine Schriftart; sie ist eine kulturelle Erbe und Identitätsmerkmal. In dieser digitalen und globalisierten Welt von heute ist es mehr als an der Zeit, den Wert dieser traditionellen Schrift neu zu schätzen.
Fraktur geht tiefer als nur „altmodische“ Buchstaben; vielmehr trägt sie eine Geschichte mit sich, die unsere nationale Identität und kulturelle Eigenständigkeit unterstreicht. Im Zeitalter, wo alles ubiquitär und austauschbar erscheint, ist Fraktur ein Mahnmal für Individualität. Während andere Kulturen ihre Schriften – wie das kyrillische oder arabische Alphabet – stolz präsentieren, sollten wir uns nicht davor scheuen, unser eigenes kulturelles Erbe zu feiern.
Natürlich gab es Missbräuche der Schrift; sie wurde im Dritten Reich von den Nationalsozialisten instrumentalisiert. Aber ist das ein Grund, eine so gewichtige kulturelle Komponente aus unserem Erbe zu verdammen? Dann müsste man auch Beethovens Musik oder Dürers Kunstwerke verbannen, weil ihre Kultur einmal von Extremisten in Dienst genommen wurde. Naivität ist nicht die Lösung. Lasst uns lernen, mit Augenmaß und Verstand historische Fakten einzuordnen.
Doch die Bedeutung von Fraktur endet nicht bei der Vergangenheit. In einer Welt des "Copy-Paste", wo alles generisch zu werden droht, gibt uns Fraktur ein unverwechselbares Merkmal. Selbst im modernen Branding nutzen einige Unternehmen Fraktur, um sich abzuheben und Authentizität zu signalisieren. Fragt man sich, warum eine Beethoven-Sinfonie im Original mancherorts immer noch ergreifender als auf der Playlist eines Streamingdienstes klingt, dann ist die Antwort eine ähnliche: Gefühl und Authentizität können nicht digitalisiert werden. Fraktur steht dafür.
Ein weiteres Kapitel in der Fraktur-Debatte ist die Art und Weise, wie Bildung und kulturelles Erbe in unserer gegenwärtigen Gesellschaft wahrgenommen werden. Es ist eine schockierende Tatsache, dass die Menschen mehr über die Piktogramme auf ihren Smartphones wissen als über die Schrift, mit der ihre Großeltern zur Schule gingen. Eine Renaissance der Fraktur könnte der Bildung von heute einen Mehrwert verschaffen.
Ein bewunderndes Mittagessen mit einem 89-jährigen Veteranen illustrierte dies: Als er mir mit zittrigen Händen aus seinem handgeschriebenen Tagebuch vorlas, waren die Buchstaben nicht in Times New Roman, sondern in Fraktur. Die Geschichte, die er erzählte, erhielt durch diese Schriftart ein besonderes Gewicht, eine Ehrfurcht, die verloren wäre, hätte er sie auf einem iPad in Arial aufgeschrieben. Wer möchte schon, dass wertvolle menschliche Erfahrungen verlieren, nur weil sie nicht mit dem Standard kriegen?
Lassen wir uns also nicht von der liberalen Political Correctness verführen, die alle „unangenehmes“ Geschichtsmaterial auslöschen will. In der Zensur verlieren wir unsere Geschichte und Identität. Fraktur ist kein Bedrohungssymbol, vielmehr ist sie ein historisches Erbe, das es zu bewahren gilt.
Fraktur symbolisiert also nicht nur Tradition, sondern auch kulturelle Eigenständigkeit und Widerstand gegen die Entfremdung. Es zeigt, dass nicht alles Neue automatisch besser ist. Während die Welt ihren Pseudo-Multikulturalismus feiert, sollten wir es nicht vergessen, unsere einzigartigen, historischen Geburtsurkunden zu pflegen. Die Fraktur-Schrift erzählt Geschichten, die Hintergrund und Tiefe haben – im Gegensatz zur flachen Tapete der modernen Kleintexte.
Vergessen wir nicht, dass unser kulturelles Erbe massgebend für zukünftige Generationen ist. Wer Fraktur in der Gegenwart ablehnt, subventioniert ein bitteres kulturelles Vergessen. Laden wir die Fraktur wieder in unser Leben ein, denn sie gehört dorthin.