Manchmal schafft es ein Kunstereignis, die Welt zu erschüttern - und genau das tat der 'Erste Deutsche Herbstsalon' im Jahr 1913. Organisiert von der expressionistischen Gruppe 'Der Sturm', lockte diese bahnbrechende Kunstausstellung in Berlin all diejenigen an, die sich von den sonst so spießigen Kunsttraditionen befreiten wollten. Man stelle sich eine Zeit vor, wo Konservatismus in der Kunst die Norm war und dann platzt dieser Salon in die etablierte Ordnung wie eine Farbbombe voller Provokation.
Der 'Erste Deutsche Herbstsalon' war mehr als nur eine Ausstellung. Er war eine kulturelle Erschütterung, initiiert von keinem Geringeren als Herwarth Walden. Damals in den Weiten des Berliner Tiergartens im 'Sturm'-Verlag auf die Beine gestellt, fand das Spektakel im Oktober und November 1913 statt. Über 360 Kunstwerke wurden präsentiert, darunter einige der bekanntesten Meisterwerke von Künstlern wie Wassily Kandinsky, Paul Klee und Marc Chagall. Wo sonst hätte dies wohl passieren können, wenn nicht im damals blühenden Preußen?
Die Motivation? Ganz einfach: Freiheit. Freiheit von der überwältigenden Umklammerung der deutschen 'Akademie-Kunst', deren Marschrichtung damals von einem ziemlich beschränkten Schönheitsideal geprägt war. Der Herbstsalon feierte die Rückkehr der Kunst zu ihrer ursprünglich kreativen Wurzeln - und ärgerliche Reaktionen waren garantiert. Man fragt sich, was wohl die Zuschauer dachten, die mit ihrer adretten Anzüge in diesen Kulturschock spazierten.
Was aber geschah, als die Türen geöffnet wurden? Ein Aufschrei des Establishments. Wie könnten wir es jemals wagen, die Harmonie barocker Linienführungen derart radikal zu verwerfen? Konservative Stimmen mahnten, das sei nicht Kunst, sondern Chaos. Was sie nicht verstanden: Chaos ist manchmal der Schlüssel zu wahrer Schöpfung.
Es braucht nicht viel Vorstellungskraft, um zu erkennen, warum damals eine solch revolutionäre Veranstaltung Widerstand provozierte. In einer Welt, wo viele Menschen Sicherheitsnetze und traditionelle Werte unterstützten, wirkte der Herbstsalon ein wenig wie ein entfesselter Wirbelsturm. Die Kunst zog den Leuten den Teppich unter den Füßen weg und fragte: Wer braucht schon Regeln?
Dennoch, nicht ganz überraschend, traf der 'Erste Deutsche Herbstsalon' den Nerv der Zeit. Er markierte den Wendepunkt in der Wahrnehmung moderner Kunst und bereitete den Weg für viele avantgardistische Bewegungen. Künstler, die einst belächelt und verspottet wurden, fanden plötzlich Anhänger. Die radikale Neuerfindung der Kunst war nicht mehr aufzuhalten.
Man könnte argumentieren, dieser Herbstsalon war der Keim für das, was später als „entartete Kunst“ gebrandmarkt wurde. Einer Zeit, in welcher der konservative Geschmack in der Kunst einen Rückschlag erlitt, der Jahrzehnte andauern sollte. Doch es lehrt uns auch, dass solche Künstlerverbrüderungen mächtige Bewegungen in Gang setzen können.
Die Ironie in alledem? Heute sind viele dieser Werke und Künstler gefeiert und anerkannt. Die Kunstkritiker von einst, die der Meinung waren, die Nerven der Gesellschaft zu schützen, sind hingegen längst in Vergessenheit geraten. Welche Lektion lernen wir daraus? Der Fortschritt kann manchmal unangenehm für jene sein, die starr in ihren Traditionen verharren.
Heute erinnern wir uns an den 'Ersten Deutschen Herbstsalon' als Aushängeschild für die beachtliche Kraft der Kunst, Bewusstsein und Gesellschaft zu formen. Es zeigt uns, dass Kunst nicht nur abbilden, sondern definieren kann, was wir als Bevölkerung für tolerierbar und annehmbar halten. Und ja, es störte damals wahrscheinlich einige Menschen immens - vor allem jene, die über liberalere Züge in der Kunst wohl ebenso denken wie über das Zelebrieren radikaler Ideen in unserer modernen Zeit.
Hier stehen wir nun, mehr als ein Jahrhundert später, und fragen uns: Was würde eine solche Ausstellung heute bewirken? Würde sie als Vorbote eines Neuerwachen geschätzt oder als Störung des öffentlichen Friedens verdammt werden? Sicher ist nur: Die Kunst wird niemals Ruhe geben. Sie ist der ewige Unruhestifter in einer Welt, die sich mehr zu dekadenten Selfies als zu durchdachtem Ausdruck hingezogen fühlt. Und dieser Herbstsalon war zweifelsohne der Pionier solcher Unruhe.