Ein fernes Viertel: Wenn das Zeitreisen zur heiteren Fahrt wird

Ein fernes Viertel: Wenn das Zeitreisen zur heiteren Fahrt wird

'Ein fernes Viertel', ein Film von Sam Garbarski, entführt uns in eine nostalgische Zeitreise, die sowohl unterhaltsam als auch tiefgründig ist. Er zeigt, dass das Leben mit all seinen Risiken und Wendungen mutig angenommen werden muss.

Vince Vanguard

Vince Vanguard

Wer hätte gedacht, dass ein Film über Zeitreisen so herrlich amüsant sein könnte? 'Ein fernes Viertel' ist ein solcher Film, der den Zuschauer mitnimmt auf eine Reise, die nicht nur nostalgisch, sondern auch voller Wendungen und Einsichten ist. Dieser magische Film basiert auf dem beliebten japanischen Manga 'Haruka na Machi e' von Jiro Taniguchi und erreicht die Leinwand in einer beeindruckenden Adaption von Sam Garbarski, die am 8. September 2010 in Frankreich ihre Premiere feierte. Hier sehen wir Thomas, gespielt von Pascal Greggory, einen Mann mittleren Alters, der die Gelegenheit bekommt, in seine Jugend zurückzukehren und die Fehler seiner Vergangenheit zu korrigieren. Eine Gelegenheit, von der viele in der echten Welt nur träumen können.

Der Film spielt im sommerlichen Frankreich und strahlt mit seinen wunderschönen Kulissen ländlicher Idylle aus einer vergangenen Zeit. Doch diese bildhafte Pracht ist nicht nur des reinen Augenschmauses wegen von Bedeutung; sie ist ein entscheidendes Erzählinstrument im Film. Thomas, der unfreiwillige Zeitreisende, steht plötzlich vor der Möglichkeit, die Geschichte (seine Geschichte) neu zu schreiben. Wer jetzt denkt, das sei bloß der übliche nostalgische Trip, der irrt gewaltig. Dies ist keine simple Rückreise, um harmlose Fehlerchen zu beheben – Thomas wird vom Schicksal zu einer Reise gezwungen, die ihn tief in die Familiengeheimnisse und gesellschaftlichen Strukturen eintauchen lässt, über die er bisher wenig wusste. Das entzieht sich dem Harmoniebedürfnis der politisch überkorrekten Gesellschaft, denn hier wird gezeigt, dass nicht immer alles nach Plan läuft – und das ist gut so.

Ein elementares Thema im Film ist die unvermeidliche Frage: Was würde man ändern, wenn man zurückreisen könnte? Die vermeintlich einfache Frage wird im Laufe des Filmes zu einem echten Gewissenskonflikt. Der Film widersteht der Versuchung, eine eindimensionale Geschichte über reumütige Korrekturen zu erzählen. Stattdessen zeigt er, dass das Leben eben keine klare, von Korrekturen befreite Erzählung ist. Thomas begegnet seiner Familie, Freunden und sich selbst – mit all den Unzulänglichkeiten und unerwarteten Wendungen, die diese Konfrontationen mit sich bringen.

Das mag für den ein oder anderen sensiblen Zuschauer unbequem sein, denn Garbarski scheut sich nicht, gesellschaftliche und familiäre Konflikte ohne unnötigen Zuckerguss darzustellen. So werden heikle Themen wie Schuld, Vergebung und der unentwegte Lauf der Zeit in den Vordergrund gestellt. Dennoch bleibt der Film stets positiv und wird nie zu einem düsteren Drama, das mit Tränendrüse arbeiten müsste. Dies steht dem unerschütterlichen Glauben an persönliche Freiheit und Verantwortung gegenüber, der in vielen konservativen Kreisen hochgehalten wird. Ganz nach dem Motto: Wer ein erfülltes Leben will, der muss selbst die Vergangenheit (und die Realität) in die Hand nehmen.

Visuell beeindruckend ist auch die Zusammenführung von Gegenwart und Vergangenheit. Der Wechsel zwischen den Zeitlinien ist geschickt gemacht, mit einer klaren Liebe zum Detail, die so manchen überzogenen CGI-Effekt überflüssig macht. Es sind die kleinen Gesten und Bilder, die überzeugen, statt eines technischen Overkills, der nur um den heißen Brei redet. Es zeigt, dass es noch immer auf den Menschen und seine Taten ankommt, auf Einsichten und Erfahrungen, die im Laufe eines Lebens gesammelt werden. Nicht rohe Technik, sondern Gefühl und Verstand führen letztlich zur Erfüllung.

Obwohl 'Ein fernes Viertel' einige gesellschaftliche Wagnisse eingeht, bleibt der Film einfühlsam genug, um zu unterhalten, statt eine moralinsauren Botschaft zu vermitteln, wie das bei eindeutigeren Werken allzu oft der Fall ist. So mancher würde die unverblümte Ehrlichkeit als Provokation sehen, aber das Bestehen auf einer solchen künstlerischen Freiheit ist in einem Meer von eintönig gleichgespülten Mainstream-Werken wichtig und eben der Grund, warum der Film doch mit einem frischen Wind aufwartet.

Dass die Filmindustrie häufiger über zu viele politische Botschaften stolpert und dabei das eigentliche Storytelling vergisst, wird hier nicht zum Programm. 'Ein fernes Viertel' ist ein leises Manifest gegen die Bevormundung durch liberale Standards der Filmproduktion, die subtile und mehrdimensionale Erzählstrukturen oft unter ihrem Gewissen ersticken. Stattdessen gibt er den Zuschauern die Freiheit, Erinnerungen und Erlebnisse selbst zu interpretieren und eigene Schlüsse zu ziehen.

Schlussendlich ist 'Ein fernes Viertel' mehr als ein Film über Zeitreisen. Es ist eine Liebeserklärung an das Leben selbst, mit all seiner Komplexität, Schönheit und Ungewissheit. Genau das, was ein von erneutem Johannesburg verfolgender Mensch sehen sollte – eine Ermutigung zur Selbstreflexion ohne die dogmatische Last, die manch einer versuchen mag, darauf zu legen.