Edward Cullen, der charmante Vampir, der von Generationen verehrt wird und in einer Reihe von Romantik-Bestsellern wie ein Meteor aufgetaucht ist. Wer ist dieser enigmatische Charakter, der die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verwischt hat? "Twilight", ein Roman, der von der Autorin Stephenie Meyer im Jahr 2005 veröffentlicht wurde, legte den Grundstein für das Phänomen. Edward Cullen ist nicht nur die Hauptfigur der Reihe, sondern auch ein Symbol für eine alte, aristokratische Welt voller Werte, die heutzutage oft als "altmodisch" bezeichnet werden. Im Gegensatz zu modernen Darstellungen von Männern zeigt Edward, dass Ritterlichkeit nicht tot ist, sondern nur mit einer Glitzergarnitur kommen muss.
In einer Zeit, in der das eher feminisierte Männerbild gefeiert wird, stellt Edward Cullen das Gegenteil dar. Er ist das Ideal eines traditionellen Mannes – stark, schützend und bereit, alles zu tun, um seine Liebste zu verteidigen. Doch was bringt jemanden dazu, sich in ein Buch zu vertiefen, in dem die Hauptfigur nicht nur Jahre, sondern Jahrhunderte alt ist und die Moralvorstellungen einer längst vergangenen Ära verkörpert? Vielleicht ist es der Kontrast zwischen einem Vampir, der sich weigert, seine Wünsche zu kommandieren, und der heutigen Kultur, die Spontaneität und Impulsivität feiert. Edward Cullen ist eine ständige Erinnerung daran, dass Disziplin nicht gleichbedeutend mit Langeweile ist.
An der Schnittstelle zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist Edward ein Beispiel für alte Werte in einer neuen Welt. Was viele Leser*innen an ihn fesselt, ist seine paradoxe Natur. Ein Wesen, das ewiges Leben hat, kämpft mit denselben moralischen Dilemmas, die jeden von uns betreffen. Gewiss, er ist ein Vampir, aber er ist schon lange kein Monster mehr. Stattdessen zeigt Meyer durch seine Figur die Komplexität der Existenz – in einer perfekten Balance zwischen dem Drang, seinen Bedürfnissen nachzugeben, und dem harten Kampf, diesen Drang zu zähmen. Er symbolisiert ein Streben nach einer Welt voller Tradition und Vernunft, die vor dem Hintergrund eines moralischen Niedergangs etwas Außergewöhnliches darstellt.
Ein weiteres faszinierendes Element an Edward ist der Schauplatz der Geschichte – das verregnete Örtchen Forks im Bundesstaat Washington. Hier wird ein Mikrokosmos geschaffen, in dem die ewige Dunkelheit den Glanz bietet, den man nur in einem Supernatürlichen findet. Die lähmend dunklen Wälder von Forks tragen zur Erzählung bei und bieten einen metaphorischen Hintergrund für das Drama von Leben und Tod, von Sterblichen und Unsterblichen. Hier beginnt Bella Swan, eine gewöhnliche junge Frau, ihre Reise in eine Welt voller Gefahr und Leidenschaft, geführt von ihrem unerschrockenen Beschützer, Edward. Ihr Aufeinandertreffen ist eine Metapher für das westliche romantische Ideal – der Prinz, der seine Prinzessin rettet, was würde die moderne feministische Psychologie sagen?
Ein weiteres Paradoxon, das wir nicht ignorieren können, ist, wie die Darstellung eines hundertjährigen Vampirs in der Moderne noch so viele romantische Herzen höher schlagen lässt. Während moderne Beziehungen oft durch Bindungsangst verraten werden, zeigt Edward, dass wahre Zuneigung und Verpflichtung nicht nur möglich sind, sondern auch erstrebenswert. Man mag darüber streiten, dass sein Verhalten im Jahr 2023 gestalkt und ungesund erscheinen mag, aber man könnte auch argumentieren, dass es eine erfrischende Betroffenheit zeigt in einer Welt, die emotionale Kälte glorifiziert.
Es ist jedoch nicht alles Rosenblüten und Blutmond in der Edward Cullen-Saga. Es gibt Kritiker, die argumentieren, dass seine Art der Romantik hinterfragt werden sollte. Fast ein Jahrhundert älter als Bella, seine Besessenheit und sein Beschützerinstinkt – es könnte aus einem politischen Drama stammen. Aber zieht das nicht die Leser*innen gerade dann an, weil es zu schön ist, um wahr zu sein? Diese alte Welt der patriarchalen Beschützer und loyalen Liebhaber, die alles für das Wohl ihrer Liebenden opfern würden.
Edward Cullen zeigt, dass Romantik nicht tot und Ritterlichkeit keine veraltete Idee ist, sondern zeitlos. Er bietet einen Blick darauf, wie es sein könnte, wenn traditionelle Werte und moderne Erzählungen kollidieren. Ritterlichkeit, Hingabe und die Belange der Sterblichen – das sind die Dinge, die Edward in seiner kalten Hülle bewahrt. Es bleibt abzuwarten, wie eine neue Generation von Leser*innen Edwards Version der alten Weltakzepte sehen wird. Aber eines ist sicher: Edward Cullen ist mehr als nur ein glitzernder Vampir. Er ist ein zeitloses Symbol für all das, was wir vermeintlich verloren haben.
 
    