Dok Leipzig: Die Aufklärung, die keiner braucht

Dok Leipzig: Die Aufklärung, die keiner braucht

Das Dok Leipzig Festival ist eine cineastische Bühne, die sich gerne als Schmelztiegel avantgardistischer Dokumentationen versteht. Doch was steckt wirklich dahinter?

Vince Vanguard

Vince Vanguard

In Leipzig geschieht einmal im Jahr etwas, das manchen wie eine kulturelle Erleuchtung vorkommt, aber anderen als schlichter Irrweg erscheint. Die Rede ist vom Dok Leipzig, einem der ältesten Dokumentarfilmfestivals der Welt, das seit 1955 jährlich die Stadt in einen cineastischen Hotspot verwandelt. Hier versammeln sich Filmemacher, Studenten und sogenannte Intellektuelle aus aller Welt, um in einer einwöchigen kollektiven Selbstbeweihräucherung schwelgen zu können. Warum handelt es sich hierbei um ein Event, das Aufmerksamkeit erregt? Simpel: Hier werden Filme gezeigt, die die Wahrheit angeblich aus ebenso obskuren wie schiefen Blickwinkeln beleuchten.

Warum sollte man sich also für das Dok Leipzig interessieren? Einige behaupten, es wäre ein einzigartiger Blick auf unsere Welt. Dabei springt einem förmlich der selbsternannte Bildungsanspruch ins Gesicht, während Filmemacher aus aller Herren Länder ihre scheinbar unvoreingenommene Perspektive darstellen. Frei nach dem Motto: "Seht her, wie offen wir denken können!" Was dabei herauskommt? Keine neue oder gar objektive Wahrheit, sondern vielmehr ein Knäuel aus subjektiven Narrativen, das den Horizont eher einengt als erweitert. In einer modernen Inszenierung linker Ideale werden hier gern mal Kapitalismus und konservative Werte als Gefahr oder Hindernis gezeichnet.

Sicher, die Atmosphäre mag anziehend wirken. Studenten sitzen in dunklen Kinosälen und lassen sich von hypermodernen Gedankenwelten verführen. Man fährt scharenweise in die sächsische Metropole, als wäre dies der Ort, an dem man sich als moderner Weltbürger politisch korrekt inszenieren kann. Doch Vorsicht: was als kritische Auseinandersetzung mit der Gesellschaft verkauft wird, ist zumeist nur eine Einbahnstraße der Empörung, die Hochglanz-Europäer in ihrer kuscheligen Filterblase befriedigt. Filme, die echte gesellschaftliche Missstände anprangern, werden hier oft übersehen oder unter Wert geschlagen, es sei denn, sie passen ins erwünschte Raster der Moralapostel.

Die Filmauswahl besticht weniger durch Ausgeglichenheit als durch kalkulierte politische Agenda. Wer sitzt im Publikum? Wer wählt die Gewinner? Ein Gremium aus gleichgesinnten Intelektuellen, die sich der linken Propaganda mehr verschrieben fühlen als der Authentizität der Kunst. Viele Werke, die hier gezeigt werden, entziehen sich dem gängigen elektromagnetischen Spektrum des Sinnvollen und reihen sich stattdessen in die Galerie einer oftmals einseitig gefärbten Welt ein. Überrascht? Wohl kaum. Schließlich lebt jeder von uns längst in der Ära der gefällig-verlinkten Gesellschaft.

Es gibt offenbar wenig Raum für Geheimnisse bei Dok Leipzig, nur dass es nicht wirklich darum geht, was der Zuschauer denkt. Was zählt, ist der Gedanke der Filmemacher, ihre Sicht des Ganzen. Also Vorsicht vor zuviel ideologisch verbrämter Aufklärung, die letztendlich daran erinnert, dass das Offensichtliche längst nicht für jeden sichtbar ist. Wer das Experimentieren liebt, könnte hier auf seine postmodern dekonstruierten Kosten kommen.

Abschließend gesagt, mag sich der ambitionierte Liberale noch so begeistert die Hände reiben – die echte Herausforderung findet anderswo statt. Nicht innerhalb eines abgedunkelten Saales, nicht mit Gesichtern, die nur das eigene Weltbild bestätigen, sondern im Glanze der Wirklichkeit da draußen. Denn die Realität bleibt auch ohne Dok Leipzig bestehen; sie ist ärgerlicher, größer und oft gnadenloser als jede noch so perfekt komponierte Filmszene dieses Festivals. Mag sein, dass dieser Kommentar polarisiert — aber wenn er eine Seite der Medaille zeigt, die sonst unter den Tisch zu fallen droht, dann hat auch das Dok Leipzig seinen Zweck erfüllt.