Manchmal kommt ein Buch daher, das mehr ist als nur ein Stapel bedruckter Seiten. "All diese Wunder" von Georg Christoph Lichtenberg ist genau ein solches Werk, das in der literarischen Landschaft wie ein Leuchtturm in der Nacht herausragt. Warum, fragt man sich? Nun, der Text selbst erweist sich als Fundgrube der Eindrücke und Intelligenz, geschrieben in einer Zeit, als Lichtenberg zwischen 1800 und 1821 noch lebte und in Deutschland seinen spitzen Humor durch die Feder fließen ließ.
Lichtenberg, ein Physiker und Satiriker, kreierte mit "All diese Wunder" eine Sammlung von Gedankensplittern und kritischen Beobachtungen, die noch heute bestechend aktuell sind. Um zu verstehen, warum dieses Buch etwas Besonderes ist, muss man zunächst begreifen, warum sein Humor und seine Schärfe in einer Welt voller brennender Fragen, die von vielen lieber in der Komfortzone ignoriert werden, so gut ankommen. Er beschäftigte sich mit der Wissenschaft und Social Commentary und das in einer klareren, oft unverblümten Weise, die selbst damals zur Diskussion einlud.
Warum hat dieses Buch einen bleibenden Eindruck hinterlassen? Ein konservativer Denker wie Lichtenberg scheut sich nicht, den menschlichen Zustand mit einem kritischen, manchmal bissigen Auge zu betrachten. Und das fängt mit seiner bemerkenswerten Fähigkeit an, Unsinn zu riechen, sei es in der Wissenschaft, Philosophie oder in sozialem Gehabe. Wer es liest, erkennt schnell, dass Komfortzonen etwas für schwache Gemüter sind.
Eine brillante Erkenntnis Lichtenbergs liegt in seiner Erkennung der Doppelmoral. Der Mann war seiner Zeit weit voraus, als er gegen die scheinbare Tugendhaftigkeit wetterte, die in Wirklichkeit kaum mehr als Fassade war. Das Buch zwingt einen dazu, den eigenen Spiegel anzuschauen und die eigene Einstellung zu hinterfragen, weil Lichtenberg selbst die blinde Akzeptanz von Normen hinterfragte, die kaum mehr als Selbstbetrug waren.
Besonders zynisch und gleichzeitig brillant ist seine Betrachtung des menschlichen Verhaltens. Während viele heute noch glauben, dass Gutmensch sein alle Probleme löst, zieht Lichtenberg die Samthandschuhe zugunsten eines ungeschützten Blicks auf die harte Realität aus. Vielleicht nicht ganz zufällig erinnert das an gewisse Strömungen in heutigen Gesellschaftsdebatten, die den moralischen Kompass so verbiegen, dass er mehr von Image und weniger von Substanz geprägt ist.
Lichtenbergs Schriften mögen zu seiner Zeit ein Hit in intellektuellen Kreisen gewesen sein, aber wirklich vom Tisch wischen lassen sie sich nie, gerade weil er in "All diese Wunder" zeigt, wie Wahrheit auch unbequem sein kann. Seine Betrachtungen über die Eigenheiten der Menschen und Gesellschaft sind harte Kost, die nicht jeder schlucken will, aber ein Muss für jene, die die Wahrheit verkraften.
Sein cleveres Spiel mit Worten und die geschliffenen Spitzen gegen die Scharlatanerie lassen uns nicht unberührt. Was "All diese Wunder" jedoch zu einem zeitlosen Meisterwerk der Literatur macht, ist seine Verspottung von Prätention, die augenzwinkernde Betrachtung naiver Selbstzufriedenheit und das klare Bekenntnis zur intellektuellen Redlichkeit.
Wer Lichtenberg liest, wird wachgerüttelt. Das Buch ist selbst voller Erkenntnisse und Aha-Momente, die einem aufgrund ihrer Scharfzüngigkeit ins Gesicht springen. Manch einer mag da das Weite suchen, während andere dazu angeregt werden, die eigene Filterblase platzen zu lassen und in vermeintlich unbequemes Gewässer zu steuern.
Letztendlich bleibt "All diese Wunder" nicht nur ein literarischer Schatz, sondern ein Weckruf für jeden, der das Gefühl hat, die Welt drehe sich einzig und allein um Selbstbeweihräucherung. Lichtenbergs Werk ist eine cowboy-unfreundlichen, konservativen Ackerscholle, die mit klarer Sprache und unerschütterlicher Logik aufzeigt, dass Wahrheit kein Relikt der Vergangenheit ist, sondern eher ein Schwert der Gegenwart.
Initiatoren der "Deswegen haben wir uns alles verdient"-Philosophie würde die Schrecksekunde ereilen, müsste Lichtenberg in der heutigen Meinungslandschaft ein Wörtchen mitzureden haben. Einsichten der „Offenbarung“ drängen sich im Buch durch und zwingen uns, den Filter zu entfernen und nicht nur die eine Geschichte zu hören, die wir selbst gern erzählen oder noch schlimmer, wiederholt hören möchten.