Ein Porträt zwischen Uhr und Bett mag klingen wie die Beschreibung einer surrealen Party, doch in Wirklichkeit handelt es sich um das eindrucksvolle Gemälde „Selbstporträt. Zwischen Uhr und Bett“ des berühmten norwegischen Künstlers Edvard Munch. Im Jahr 1940/42 vollendete Munch, ein Jahr vor seinem Tod, dieses Werk als einen finalen Einblick in seine Psyche und seine künstlerische Reise. In Oslo gemalt, reflektiert dieses Bild die philosophischen und emotionalen Kämpfe, die den Künstler lebenslang begleitet haben.
Bekannt wurde Munch hauptsächlich durch sein Werk „Der Schrei“, aber „Selbstporträt. Zwischen Uhr und Bett“ gibt uns einen ganz anderen Eindruck von seinem kreativen Geist. Es zeigt nicht die plakativen Emotionen wie Angst oder Panik, sondern die stille, resignierte Akzeptanz der endlichen Natur des Lebens. In dem Bild steht Munch zwischen einem Wandregal, das ihn zeitlich erdrückt, und einem Bett, das sehnsüchtig auf das unvermeidliche Ende hinweist. Sie sind Symbole, die für so viele von uns nachvollziehbar sind, da sie Alltag und Unendlichkeit zugleich verkörpern.
Für Munch hatte die Uhr eine besondere Bedeutung. Sein ganzes Leben lang kämpfte er mit der Vorstellung der Zeit – als Körperlichkeit, die unaufhaltsam vergeht. In jungen Jahren verlor er früh seine Mutter und seine geliebte Schwester, was ihn mit der Fragilität des Lebens konfrontierte. Die Uhr in dem Gemälde prangert an der Wand, wie eine ständige Erinnerung an die tickende Welt und die Endlichkeit der menschlichen Existenz. Die Zeiger bewegen sich unaufhaltsam und lassen uns erkennen, dass jeder Augenblick zählt.
Munch war ein Meister darin, seine persönliche Welt in seinen Bildern widerzuspiegeln. Trotz seiner emotionalen und mentalen Höhen und Tiefen kam in seinen Gemälden besonders sein politisch progressiver Geist zur Geltung. Er war ein Künstler, der seiner Zeit voraus war, indem er soziale Themen und individuelle Emotionen in einen unverkennbaren impressionistischen Stil verwob. Selbst in Norwegen, einer konservativen Umgebung, überschritt er die traditionellen Normen und rief kontroverse Diskussionen hervor.
Aber nicht jeder Kritiker und Beobachter hat seine Werke stets positiv aufgenommen. Munchs Stil war oft zu intensiv für eine Gesellschaft, die das Vertraute und Konventionelle bevorzugte. Kritiker warfen ihm vor, seine eigene Dunkelheit und Verzweiflung auf die Leinwand zu projizieren und den Betrachter in seine persönliche Hölle zu ziehen. Doch in einer Welt voller Konformität war Munchs Blick auf die menschliche Conditio sowohl erfrischend als auch notwendiger Grenzgang, um Menschen aus ihrer Komfortzone zu holen.
„Zwischen Uhr und Bett“, obwohl resigniert und persönlich, trägt eine universelle Botschaft. Jeder von uns kennt das Gefühl, dass die Zeit vergeht – oft zu schnell – und dass mit jedem Ticken das Unbekannte näher rückt. Auch wenn der erste Blick auf das Gemälde eine gewisse Tristesse hervorruft, regt es gleichzeitig zur Reflektion der eigenen Lebensgeschichte an. Wir leben in einer beschleunigten Welt, in der Instagram-Feeds und Snapchat-Stories oft die Oberhand gewinnen, und Besinnung auf der Strecke bleibt. Munchs Bild ermöglicht eine Pause von dieser Hast, einen Moment der Einkehr.
Streben nach Individualität und das Unvermögen, sich an gesellschaftliche Normen anzupassen, macht Munch zu einem unerschrockenen Vorreiter. Sein Werk sagt uns, dass es okay ist, das Leben nicht immer unter Kontrolle zu haben und mit der Ungewissheit zu leben. Die Sympathie für die andere Sichtweise, dass Munchs Kunstwerke möglicherweise als entmutigend oder düster wahrgenommen werden, ist nachvollziehbar. Doch für Munch war es nie das Ziel, Trost zu spenden, sondern die rohesten Wahrheiten ans Licht zu bringen.
Im Dialog mit diesem Selbstporträt steht die Betrachterin oder der Betrachter nicht nur einem Kunstwerk, sondern Munch selbst gegenüber. Es stellt Fragen nach der eigenen Zeit, der eigenen Existenz – Aspekte, die uns besonders in der heutigen Zeit der ständigen digitalen Ablenkung oft unbewusst sind. Aber gerade diese Auseinandersetzung mit dem Innenleben, wie Munch es meisterhaft auf Leinwand gebracht hat, könnte der Generationsz nie dringlicher angeraten werden. Was tun wir mit unserer Zeit? Welche „Betten“ warten darauf, dass wir uns ihnen stellen? Hier findet sich der Schlüssel zu einem Leben, das zwar zwischen Uhr und Bett eingezwängt ist, aber dennoch reich gefüllt sein kann.