Stell dir vor, du schlägst ein altes Buch auf und es erklärt dir seine komplexen Inhalte, als ob es mit dir plaudern würde. Genau das versucht die Schottenstein Ausgabe des Babylonischen Talmuds zu erreichen. Diese bemerkenswerte Ausgabe bringt die uralte Welt des Talmuds, die vor mehr als einem Jahrzehnt begann und das gesammelte Wissen über zahlreiche Generationen hinweg in Bücher bannte, in die Gegenwart. Ziel ist es, die Schriften für heutige Leser zugänglicher zu machen, indem sie mit klaren Erklärungen und Kontext versehen werden. Diese Ausgabe wird sowohl von traditionellen Juden geschätzt, die fest mit der Vergangenheit verwurzelt sind, als auch von neugierigen jungen Menschen, die in der Einen-oder-keinen-Ansatz-Welt von Social Media aufgewachsen sind.
Die Schottenstein-Ausgabe entstand in den 1990er Jahren in den USA und wurde von der Familie Schottenstein finanziell unterstützt. Ihre Vision war es, dieses umfangreiche und komplexe Werk für ein breiteres Publikum zugänglich zu machen. Viele Menschen, auch solche, die sich als kulturell jüdisch identifizieren, sich aber nicht tief in das Tora-Studium vertiefen, finden diese Übersetzung als eine Brücke zwischen dem traditionellen Judentum und ihrer modernen Lebensweise.
Das Studium des Talmuds – eine Sammlung von Rabbi-Debatten über jüdische Gesetze, Ethik, Philosophie, Bräuche, Geschichte und mehr – kann einschüchternd sein. Viele Texte sind in Aramäisch, was ohne tiefes Vorwissen schwer zu verstehen ist. Die Schottenstein-Ausgabe löst dieses Problem mit zweisprachigen Seiten: Der Originaltext steht neben der verständlichen und detaillierten englischen Übersetzung, oft ergänzt durch Fußnoten, die Hintergrundinformationen bieten.
Traditionelle Gelehrte begrüßen diese Arbeit teilweise, da sie befürchten, dass Übersetzungen die subtile Komplexität und den Reichtum der Originaltexte verfälschen könnten. Für sie ist die Qualität eines Gesprächs entscheidend, das entsteht, wenn originale und oft kryptisch erscheinende Texte durch kontinuierliches mündliches Studium lebendig gemacht werden. Diese Methode erfordert ein hohes Maß an Engagement und Hingabe - etwas, das nicht leicht in einem Buchformat nachgebildet werden kann.
Auf der anderen Seite argumentieren viele, dass ohne diese moderne Übersetzung Generationen interessierter Menschen keinen Zugang zur Weisheit des Talmuds hätten. Gerade in einer Welt, in der der Zugang zu Informationen überwältigend und gleichzeitig unermesslich nützlich ist, eröffnet die Schottenstein-Ausgabe vielen Menschen das Talmud-Studium überhaupt erst. Auch wenn dies bedeutet, dass die Texte übersetzt und möglicherweise in ihrer Bedeutung angepasst werden, rechtfertigt der erhöhte Zugang diesen Kompromiss in den Augen vieler.
Gegner der Übersetzung befürchten außerdem, dass das Interesse an der Vertiefung der traditionellen Methodik des Talmud-Studiums verloren geht, wenn es durch eine zugängliche Übersetzung ersetzt wird. Traditionell wurde der Talmud in Partnerschaften studiert, oft im sogenannten "chavruta"-Stil, wo zwei Menschen zusammen lesen und diskutieren.
Die Schottenstein-Ausgabe hat jedoch auch in diesen traditionellen Kreisen einen Platz gefunden, indem sie als Leitfaden oder zusätzliche Ressource in Studiengruppen verwendet wird. Diese Hebammenrolle hat der Ausgabe geholfen, Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen und gleichzeitig die Autonomie beim Lernen zu fördern.
Viele der Anhänger der Schottenstein-Ausgabe gehören der Generation Z an, deren Informationskonsum schnell und visuell getrieben ist und die in einer Welt der kurzen Aufmerksamkeitsspannen leben. Sie schätzen die klare, übersichtliche und kontextbezogene Darstellung des Talmuds, die es ihnen ermöglicht, Wissen schnittweise zu verarbeiten. Diese Generation, geprägt von einer eher offenen und liberalen Weltsicht, lernt erst mit den erhaltenen Informationen kritisch umzugehen. Für sie stellt die Schottenstein-Ausgabe oftmals das erste Fenster in eine tiefere Erkundung ihrer kulturellen Wurzeln dar.
Bei aller Modernität, die die Schottenstein-Ausgabe ausstrahlt, geht der Respekt vor der Originalität nicht verloren. Sie ist nicht darauf ausgerichtet, einen Ersatz f"ur Tradition zu schaffen, sondern eher eine einladende Hand. Eine, die ein Gleichgewicht zwischen dem Erhalt der Vollständigkeit dessen, was war, und der Zugänglichkeit für das, was kommen mag, schafft.
Dieses riesige Projekt ist erstaunlicherweise weiterhin bestrebt, alte Texte mit neuen Generationen zu verbinden. Es bewirkt einen interkulturellen Austausch, der Dialog und Verständnis fördert. In einer sich stetig wandelnden Welt wird Wissen nur dann langfristig wertvoll sein, wenn es zugänglich und relevant bleibt.