Es war eine Zeit in den frühen 90er Jahren in Berlin, wo Neonlichter sowohl auf den Straßen als auch in den Köpfen der jungen Menschen brannten. Hier begann mein Leben als '90s Otaku, ein Begriff, der uns in eine bunt schillernde, aber auch chaotische Welt führte. Anime und Manga dominierten, was wir konsumierten – eine Leidenschaft, die meine Generation in einem leidenschaftlich verspielten Banne hielt. Die Frage bleibt: Wie war es, als junger Otaku in einem Jahrzehnt aufzuwachsen, das gleichermaßen von technologischen Fortschritten und mangelndem Verständnis geprägt war?
Ein Otaku zu sein bedeutete, eine eigene Subkultur zu erkunden, oftmals isoliert von den traditionellen Vorstellungen der Gesellschaft. Für viele aus meiner Generation winkte das unkonventionelle, visuell stimulierende Universum Japans in Momenten der Langeweile und des Alltagsstresses. Anime brachte uns fremde Planeten, epische Schlachten und Heldenreisen. Manga bot Seite für Seite kunstvoll gestaltete und emotional packende Storys. Diese intensive Hingabe machte uns zugleich zu sonderbaren Kreaturen in den Augen der 'normalen Welt'.
Für mich war es nicht nur eine Flucht aus der Realität, sondern auch eine Brücke zu Kulturen, die ich im realen Leben niemals so hautnah erleben konnte. Der Konsum japanischer Medien gab mir das Gefühl, ein Teil von etwas Größerem zu sein, auch wenn wir uns damals fragten, warum diese Form der Unterhaltung mit Vorurteilen betrachtet wurde. In jenen Tagen stand das Wort 'nerdig' noch für etwas Negatives, eine Art Stigma, das uns umgab und uns gleichzeitig abgrenzte.
Doch eines darf man der liberalen Denkweise der 90er Jahre zugutehalten: Sie ermöglichte uns eine gewisse Freiheit, unsere Interessen zu verfolgen, entgegen konventioneller Erwartungen. Wir setzten unsere Köpfe häufiger durch, kassierten aber auch die ein oder andere hochgezogene Augenbraue. Unsere politische Weltanschauung wurde geprägt von einer Zeit, die sowohl Retro als auch futuristisch war, die uns aber auch Gelegenheiten und Herausforderungen brachte, für die wir auch dankbar sind.
Die Technologie von damals erscheint aus heutiger Sicht altmodisch. VHS-Kassetten wurden getauscht und renderten das Ansehen neuer Tastata-Folgen in kleinen Gruppen möglich. Trotz der langsamen Geschwindigkeit des Internets konnten wir in Foren und Chatrooms miteinander in Kontakt bleiben, was uns half, eine rebellische Gemeinschaft zu schaffen. Der Zugang zu Informationen mag begrenzt gewesen sein, aber unser Enthusiasmus kannte keine Grenzen.
Doch aus liberaler Sicht gab es in der damaligen Gesellschaft festgefahrene Strukturen, die sowohl Vorteile als auch Nachteile mit sich brachten. Während einige dachten, dass Otakus nur aus sozial unwirschen Freaks bestünden, erlebten wir eine echte Freiheit in kreativen Ausdrucksformen, die uns politische und kulturelle Einsichten gaben. Wir lernten, was es bedeutete, Gemeinschaft trotz Unterschiedlichkeiten zu erleben.
In diesem historischen Kontext begannen wir uns Fragen zu stellen, die die Gesellschaft betreffen, und wie neue Formen der Identität Teil des allgemeinen Diskurses werden könnten. Dies schärfte unser Bewusstsein für Vielfalt und Akzeptanz und diente Generationen nach uns als Brücke für mehr Verständnis.
Für einige unserer heutigen Gegenspieler mag dies unvorstellbar wirken – entweder weil sie dachten, dass Otakus Abgeschiedenheit suchten, oder weil sie nicht verstanden, warum wir mit so wenigen Ressourcen so viel tun konnten. Doch die Wahrheit ist, dass wir, trotz aller Unterschiede, eint, kreativ und entschlossen waren, unsere Weltanschauung zu verdeutlichen.
Heute sehen wir, wie Anime und Manga ein Stück der Mainstream-Kultur geworden sind, eine Entwicklung, die uns ehemals Geächteten ermutigt, nächst größere Schritte zu gehen. Wir haben eine längst aus der verstaubten Kiste geglaubte Kultur neu belebt und geformt.
Das 90er-Otaku-Leben war nicht immer einfach was Vorurteile betraf, aber es war ein entscheidender Wendepunkt für viele. Wir lernten, die Welt um uns herum zu hinterfragen und unsere Leidenschaft auszudrücken, ohne Vorurteile, mit einer positiven Einstellung und der Hoffnung auf ein breiteres soziales Verständnis.