Wer schon einmal in einer Küche gearbeitet hat, weiß, dass hier ein ganz eigener Wind weht - und nichts erfasst diesen einzigartigen Mikrokosmos besser als das scharfsinnige Buch 'Ja, Chef!' von Marcus Samuelsson. Der Roman ist nicht nur ein Memoir, sondern auch eine Reise durch die kulturübergreifenden Gemälde der Gastronomie, verfasst von einem Mann, der vom afrikanischen Waisenhaus, über die schwedische Mittelschicht, bis ins prestigeträchtige Schloss der New Yorker Haute Cuisine aufgestiegen ist.
Das Buch, das 2011 veröffentlicht wurde, erzählt von Samuelssons beeindruckender Karriere im Kulinarik-Zirkus und eröffnet dem Leser insbesondere Einblicke in die Herausforderungen, mit denen sich ein Schwarzen Koch in einem oft diskriminierenden Umfeld konfrontiert sieht. In der Welt, in der er sich bewegt - jene von Michelin-Sternen, umwerfend kreativen Menüs und harten Nächten - spricht er offen über die oft verborgenen Probleme in einer Branche, die sich nach außen hin glänzend und luxuriös gibt, während sie im Inneren von Systemen geprägt ist, die nur schwer zu brechen sind.
'Ja, Chef!' ist nicht nur eine Hymne auf die Kunst des Kochens, sondern auch auf die Durchhaltefähigkeit, die es braucht, um in einer Welt erfolgreich zu sein, die oft undurchlässig wirkt. Samuelsson beschreibt mit Ehrfurcht und Respekt die Einflüsse seiner Großmutter in Schweden, die ihn das Kochen lehrte, und die harten Lektionen, die er von knallharten Chefköchen rund um den Globus lernte.
Interessant ist, wie Samuelsson delikat die sozialen und kulturellen Barrieren untersucht, denen er auf seinen Reisen und in seiner Praxis als Koch begegnet ist. Der Leser erfährt von unzähligen Anekdoten, tiefen Einblicken in kreative Prozesse und scharfsinnigen Beobachtungen über das Leben zwischen den Zeiten und Kulturen. Dabei bleibt er nicht zu angenehm zu lesen, sondern zielt darauf ab, ein realistisches und ungeschöntes Bild der Gastronomie zu zeichnen.
Manchmal stößt man auf absurde Momente, die dennoch Empathie und Bewunderung hervorrufen. Samuelsson schildert, wie er in jungen Jahren oft mit Vorurteilen konfrontiert und schon fast zu einem Außenseiter des Gourmet-Orbits gestempelt wurde, weil er anders aussah und anders dachte. Doch so viel Widerstand der Autor auch im Lauf seiner Karriere überwinden musste, zeigt das Buch Kraft, Durchhaltevormögen und auch Witz.
Für die Gen Z, die in einer Zeit aufwächst, in der Diversität und Inklusion nicht nur Trends sind, sondern Notwendigkeiten, bietet 'Ja, Chef!' einen wertvollen Fensterblick auf das Schaffen und Wirken eines Künstlers, dessen Job es ist, kulinarische Welten zu erschaffen. Das hat auch politische Implikationen, denn Thema ist nicht nur die Küche, sondern auch die verschiedenen Sozialsysteme, die sich im begleitenden Umfeld der Gastronomie abspielen.
Der Leser, der Samuelssons Weg verfolgt, erkennt bald, dass die Grenzen eines Tellers breiter sind als nur die Zutaten darauf. Globale Einflüsse spielen eine Rolle, Ethnizitäten kommen ins Spiel, und nicht selten erinnert die narrative Ausführung des Autors an die Wichtigkeit gesellschaftlichen Aufbrechens alter Strukturen. Vielfalt wird nicht plakativ dargeboten, sondern in den Grundstoffen jeder Speise verkörpert.
Es ist ein bemerkenswerter Akt, ein solches Buch zu veröffentlichen, das nicht nur von einer Karriere und einem Koch handelt, sondern eine Botschaft über das Überwinden gesellschaftlicher Hürden mit sich bringt. Samuelsson schreibt nicht nur über seinen Weg, sondern auch uns an; lässt uns kochen, fühlen, schmecken und wachsen. Eine Einladung, die wir schweren Herzens nicht ablehnen können.
Ein weiterer zentraler Punkt der Lektüre ist, wie Samuelsson Hoffnung schöpft und diese zu einem integralen Bestandteil seines Schaffens macht. Diese positive Einstellung, die sich durch das gesamte Werk zieht, inspiriert auch über das Kulinarische hinaus. Man sieht, dass das Essen Freude schaffen kann, nicht nur als sinnliches Erlebnis, sondern auch als Mittel, um Menschen zusammenzubringen und Brücken zu bauen.
Während viele Leser vielleicht von den Leckerbissen träumen, die in Samuelssons Küche kreiert werden, erinnert er daran, dass viele dieser Kreationen aus Momenten des Zweifels, des Scheiterns und des Neuanfangs entstanden sind. Das macht 'Ja, Chef!' nicht nur zu einem faszinierenden Einblick in die Gastronomielandschaft, sondern zu einem literarischen Werk von bleibender Relevanz.
Selbst für jene, die noch nie darüber nachgedacht haben, was es bedeutet, die Verantwortung einer sternegekrönten Küche zu tragen, bietet das Buch einen unvergleichlichen Einblick in eine Welt, die zugleich realistisch und magisch ist. Jeder Leser wird aufgefordert, sich seine eigenen Fragen zu stellen, die eigene Rolle in einer Welt zu reflektieren, die sich konstant verändert und in der Anpassung nicht nur eine Technik, sondern eine Kunst ist.
Am Ende bleibt das Buch eine bewegende Erzählung, die den Leser daran erinnert, dass Essen und Kultur untrennbar miteinander verflochten sind. Und dass sie miteinander in Dialog stehen sollten, nicht nur innerhalb der Küche, sondern auch darüber hinaus, in jedem Moment des Lebens, der neue Geschmäcker und Erfahrungen willkommen heißt.