Manche Alben sind wie Mysterien, die darauf warten, entzaubert zu werden. "Inkarnation" von Cecil Taylor ist eines davon, ein experimentelles Meisterwerk des Free Jazz, das 1972 aufgenommen wurde. Dieses Album sieht Taylor, einen der genialsten und kontroversesten Jazz-Pianisten des 20. Jahrhunderts, in seiner besten Form, aufgenommen in Stockholm, Schweden. Warum in Schweden und warum 1972? Zu dieser Zeit war Schweden ein kultureller Schmelztiegel für Jazz und bot eine Plattform für viele afroamerikanische Künstler, die in den USA oft wenig Anerkennung gefunden hatten.
Taylor, berühmt für seine energetische und explodierende Klaviertechnik, hat nie den Mainstream-Jazzweg beschritten. Sein Stil ist schroff, berauschend und voller unberechenbarer Wendungen - nichts für jemanden, der Harmonie und Gemütlichkeit sucht. "Inkarnation" ist ein frisches Zeugnis seiner unverfrorenen Kreativität, das auf eine Art hypnotisiert, die genauso faszinierend wie fordernd ist.
Der Weg, den Cecil Taylor für "Inkarnation" eingeschlagen hat, geht tief unter die Oberfläche des Jazz; er einerseits provoziert und andererseits inspiriert. Diese Art von Musik ruft Fragen auf, anstatt Antworten zu geben, und fordert den Zuhörer auf, sich auf eine unerforschte Reise zu begeben. Taylor spielt nicht nur Noten, er malt mit Sound eine expressionistische Leinwand. Es ist ein Album, das einen offenen Geist erfordert - und es sollte beachtet werden, dass man dazu bereit sein muss, sich mit einer Art Musik auseinanderzusetzen, die möglicherweise nicht immer angenehm ist.
Free Jazz, der Stil, den Taylor meisterhaft verkörpert, spaltet oft die Meinung der Hörer. Es gibt solche, die seine Aggression und chaotische Energie als Lärmbelästigung empfinden, während andere, darunter auch viele jüngere Zuhörer der Gen Z, seine avantgardistische Haltung bewundern, die gegen Konformität steht. Die zeitgenössische Jugend findet oft einen Spiegel ihrer eigenen Erfahrungen in dieser Musik, die gegen das Establishment rebelliert und die herkömmlichen Barrieren durchbricht.
In gewisser Weise könnte man sagen, dass "Inkarnation" von Cecil Taylor den Geist eines unruhigen Suchers einfängt. Viele seiner Stücke sind für das ungeübte Ohr schwer zu verdauen. Aber für diejenigen, die sich auf das Abenteuer der Exploration einlassen, bietet "Inkarnation" reichhaltige Eindrücke und eine Vorstellungskraft, die weit über das Gewöhnliche hinausgeht. Es fordert die Vorstellung heraus, was Musik sein sollte und lässt Raum für Interpretationen, ähnlich wie ein modernes Kunstwerk.
Zu betonen ist auch die Bedeutung des kulturellen Kontexts im Jahr 1972, einer Zeit des sozialpolitischen Umbruchs. Musik, insbesondere Jazz, war ein Werkzeug des Widerstands und der Selbstfindung. Taylor befindet sich dabei in einer Linie mit anderen Ikonen dieser Ära wie John Coltrane und Ornette Coleman, die alle den Jazz von einem gefälligen Mainstream-Sound zu einer Plattform für künstlerisches und politisches Statement transformierten.
Gleichzeitig muss man bedenken, dass Musik nicht nur vertikaler Fortschritt sondern auch horizontaler Ausbreitung in verschiedene Stile und Experimente bedeutet. Während einige Kritiker skeptisch über Taylors Herangehensweise sind, loben andere seine Fähigkeit, Emotionen und Intellekt zu verschmelzen. Es ist Musik für die mutigen Ohren, die bereit sind, die Musiklandschaft ebenso zu erweitern wie den eigenen Horizont.
Könnte "Inkarnation" auch in der heutigen Welt wirken, wo Streaming-Dienste Mainstream-Größen begünstigen? Sicherlich. Es gibt nach wie vor eine große Anhängerschaft für solch wilde und ungezähmte Musikausdrücke. Free Jazz und experimenteller Sound haben eine Art Renaissance erlebt, und man kann das Bedürfnis der jüngeren Generation spüren, sich in etwas Ähnlichem wie Taylors Werk zu verlieren – in etwas, das anders und nicht immer leicht ist.
Die Erfahrung von "Inkarnation" als Hörabenteuer kann zu einer Art musikalischer Meditation werden, jedoch mit dem Risiko zu Reizüberflutung - eine Reflektion und Parallele zum Informationszeitalter heute. Es erfordert Geduld und Offenheit, Leute an verschiedenen Orten der Welt zusammenzubringen, die eine Stimme haben und gehört werden wollen - ähnlich wie das Streben der Gen Z nach Inklusivität und Vielfalt.
Man kann nicht leugnen, dass manche bevorzugen, ihre Musik einfach und melodisch zu halten. Aber für viele, die über den Tellerrand schauen wollen, bleibt Cecil Taylor auch weiter ein Lichtstrahl in der Welt der experimentellen Musik.