Yoshito Usui war der brillante Kopf hinter „Crayon Shin-chan“, einer Anime-Serie, die alles andere als harmlos ist. 1958 in Japan geboren und 2009 leider viel zu früh verstorben, hat Usui schon zu Lebzeiten das Fernsehen mit seinem scharfen Humor und seiner unkonventionellen Kritik an gesellschaftlichen Normen auf den Kopf gestellt. Er hat mit dem Bleistift mehr Unruhe gestiftet als viele westliche Kommentatoren mit endlosen Essays. Das könnte so manchen liberalen Kritiker verstimmen.
Mit Shin-chan erschuf Usui einen Charakter, der absichtlich gegen die angepasste, moralisch einwandfreie und allzu politisch korrekte Haltung angeht, die im Westen so oft vorherrschend ist. Shin-chan ist fünf Jahre alt, frech, taktlos und manchmal unangemessen – und genau das macht ihn so unwiderstehlich. Für diejenigen unter Ihnen, die es noch nicht erraten haben: Dieser freche Bengel ist das genaue Gegenteil des heutigen sorgsam geformten Cartoon-Helden.
Yoshito Usuis Arbeiten waren nicht bloß Unterhaltung; sie waren eine vielschichtige Kritik an einer Gesellschaft, die sich oft in äußerlichen Werten verliert. Mit Shin-chan nimmt er die Kulturen der Erwachsenenwelt aufs Korn, indem er sie durch die Augen eines vermeintlich unschuldigen Kindes entlarvt. Man fragt sich, ob ein solches Werk, das sich traut, moralische Heuchler zu persiflieren, heute noch ohne größere Aufregung veröffentlicht werden könnte.
Usuis Einfluss geht weit über das bloße Lachen hinaus. Sein Werk ist ein Spiegel der japanischen Geschichte und den Entwicklungen jener Zeit. Die 1990er Jahre standen in Japan für Umbrüche und wirtschaftlichen Herausforderungen. In dieser turbulenten Zeit zeigte Usui die Widersprüche und Spannungen der modernen Gesellschaft. Nihilismus und Zynismus wurden durch Shin-chan spürbar gemacht und hielten dem Publikum einen Spiegel vor.
Natürlich erregten solche provokanten Inhalte die Gemüter. Viele Eltern schüttelten die Köpfe, fragen sich jedoch insgeheim, warum ein Kind so unverblümt die Fehler der Erwachsenen aufdecken kann. Die Serie wurde sogar im japanischen Fernsehen pausiert, während Verantwortliche überlegten, ob ein solcher Humor tragbar sei. Doch Yoshito Usui ließ sich davon nicht beirren. Er hatte einen klaren Blick auf seine Rolle als Künstler: Die Wahrheit so zu präsentieren, wie es andere nicht wagten.
Shin-chan ist im Grunde genommen die Anti-These zum perfekt politisch korrekten Kinderhelden. Er ist ein Kind, das ungestraft Dinge sagt und tut, das Tabus infrage stellt, und nichts zurückhält. Es ist eine unverfrorene Darstellung dessen, was viele nur denken, aber sich nie trauen auszusprechen. Shin-chan zeigt uns ein bisschen von dem Unbequemen, das in uns allen liegt.
Es gibt eine spürbare Authentizität in Usuis Arbeit. Während sich viele moderne Künstler der sicheren und angepassten Kunst zuwenden, provoziert und polarisiert er bewusst. Er zeigt uns, dass nicht immer alles sanft und harmonisch sein muss, um wertvoll zu sein. Viel zu oft bleibt die wahre Kunst hinter einer Fassade der Akzeptanz verborgen, die niemand wirklich wagt zu durchbrechen.
So radikal seine Arbeit auch sein mag, sie bringt eine Unmittelbarkeit, die nur wenige Medien zu erreichen vorgeben. Yoshito Usui hat es auf wunderbare Weise geschafft, die kaum hörbare leise Stimme der gesellschaftlichen Unterströmung laut werden zu lassen. Sein Vermächtnis bleibt ein überaus aufschlussreiches Spiegelbild unserer eigenen Absurdität.
Während einige mit gesellschaftssatirischen Ansätzen verhältnismäßig vorsichtig umgehen, war Usui furchtlos. Er hat sich sowohl mit seinen Figuren als auch mit seinem Publikum angelegt. Das ist ein künstlerisches Ideal, das in unserer modernen Welt oftmals verloren geht. Anders als so manches angepasstes Geschreibsel, das jeder kritischen Betrachtung standhalten soll, bleiben Usuis Werke in Erinnerung, gerade weil sie den Finger in die Wunde legen.