Die meisten Menschen kennen Vincent van Gogh als einen der größten Maler aller Zeiten. Aber was wäre, wenn ich Ihnen erzählte, dass er eine Schwester hatte, die genauso faszinierend war? Wil van Gogh ist der Name, den viele Leute nicht kennen, aber sollten. Geboren im Jahr 1862 in einer Familie in den Niederlanden, deren Fruchtbarkeit eher an die Naturgesetze von Kaninchen als an Menschen erinnert, war Wil das fünfte von sechs Kindern. Die Van Goghs lebten in Zundert, einer kleinen Stadt, die vermutlich niemand auf der Karte finden würde, aber durch diese Familie dennoch weltweite Berühmtheit erlangte. Warum also lässt sich die Geschichte einer Frau erzählen, die im Schatten ihrer berühmten Brüder Vincent und Theo stand?
Wil, von ihrem Vater als unwürdiges Anhängsel ihrer Brüder behandelt, widersetzte sich den Rollenvorstellungen ihrer Zeit. Sie kämpfte für Frauenrechte und brav Rassismus: Dinge, die heute sowohl als Selbstbewusstsein wie auch als Rebellion gegen den gesellschaftlichen Strom versucht werden, schien sie damals ohne die Hilfe heutiger sozialer Plattformen zu unternehmen. Wil half unter anderem bei der Gründung von Frauenvereinen und war in der Bildung von jungen Mädchen engagiert. Sie war eine frühe Verfechterin dessen, was heute als Fortschritt angesehen wird.
Man könnte natürlich argumentieren, dass Wil in ihrer Zeit keine Chance hatte, neben ihrem Bruder Vincent aufzufallen. Wer kann schon gegen einen Mann bestehen, der sich das berühmteste abgetrennte Ohr der Geschichte geben ließ? Was jedoch viele nicht wissen, ist, dass Wil selbst literarische Ambitionen hatte. Einige ihrer Briefe zeugen von einer tiefen Intelligenz und einem politischen Bewusstsein, das viele ihrer Zeitgenossen blass aussehen lässt. In einem dieser Briefe diskutiert sie über die Notwendigkeit der Selbstverwirklichung von Frauen außerhalb des engen Korsetts familiärer und gesellschaftlicher Erwartungen. Sie dampfte quasi ihre eigene existenzielle Forderung zusammen: Frauen sollten mehr sein dürfen als bloße Schachfiguren im Spiel der Männer.
Es ist schade – oder zutiefst bezeichnend – dass erst die Geschichte Frauen wie Wil van Gogh den Respekt zollt, den sie verdient haben. Während Vincent und Theo als Künstler und Kunsthändler bekannt wurden, war Wil aktiv in sozialen Fragen um das Elend der unteren Arbeitsklasse zu lindern. Heute wird in Progression über Vielfalt und Inklusion gesprochen, doch Wil kämpfte für eine geschlechtsübergreifende Anerkennung von Fähigkeiten und Talenten, die über das Mäntelchen der alten Zeit hinausging.
Wil hatte jedoch noch eine traurige Passage ihres Lebens, die uns alle in einer Mischung aus Empörung und Mitgefühl zurücklässt. Gegen Ende ihres Lebens wurde sie in eine psychiatrische Anstalt eingeliefert, wo sie die letzten 40 Jahre ihres Lebens verbrachte. War sie geisteskrank, oder war das die damalige Art, mit unbequemen, intelligenten Frauen umzugehen? Diese Frage bleibt ein moralischer Fleck auf der Weste einer Gesellschaft, die sich gerne fortschrittlich nennt, während sie gleichzeitig die Fahne der Tradition hochhält.
Ob man es politisch korrekt findet oder nicht, Wil van Gogh war eine Frau, die heutige Bewegungen, die für Gleichheit und Rechte eintreten, erst möglich gemacht haben. Ironisch, nicht wahr, dass manche heute diese Wurzeln ablehnen, während sie gleichzeitig in ihrer Blüte stehen? Und so bleibt uns die Schlüsselfigur Wil van Gogh als Mahnmal einer Zeit und eines Kampfes, der – wenn auch aus den Geschichtsbüchern gestrichen – lebendig bleibt in den Subtexten der verzerrten liberalen Vorstellungen, die heute so laut herumtönen.
Am Ende muss man Wil van Gogh nicht mögen, um die Bedeutung ihrer Existenz für die heutigen Werte zu erkennen. Trotzdem bleibt sie im Hintergrund der berühmteren Van Goghs faszinierend, ein lehrreicher Blick auf das Leben einer Frau, die mehr war als nur die Schwester eines berühmten Malers.