Verpackt in einem Koffer: Die unerwartete Rückkehr von Edith Lake Wilkinson

Verpackt in einem Koffer: Die unerwartete Rückkehr von Edith Lake Wilkinson

Manchmal braucht es nur einen verstaubten Koffer, um jahrzehntelange Ungerechtigkeiten ans Tageslicht zu bringen. Die Entdeckung von Edith Lake Wilkinson’s Werken ist eine Wiederauferstehung für die fast vergessene Künstlerin.

Vince Vanguard

Vince Vanguard

Manchmal braucht es nur einen verstaubten Koffer, um jahrzehntelange Ungerechtigkeiten und Missverständnisse ans Tageslicht zu bringen. Edith Lake Wilkinson war eine amerikanische Künstlerin, die in der lebhaften Kunstszene von Provincetown in den frühen 1900er Jahren vielseitig aktiv war. Zu ihrer Zeit jedoch wurde sie Opfer einer systematisierten Misshandlung, die ihr kreatives Schaffen jäh unterbrach. Wie viele Künstlerinnen vor ihr, wurde sie in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen – ein nicht selten angewandtes Mittel, um unbequeme oder 'andersartige' Frauen aus dem Verkehr zu ziehen.

Wilkinson wurde 1924 gewaltsam aus ihrer Künstlerkolonie exiliert und verbrachte den Rest ihres Lebens in psychiatrischen Einrichtungen, abgeschnitten von Freunden, Kunst und allem, was sie liebte. Ihre Werke? Sie wurden nach dem Aufenthalt in der Anstalt sorglos in einen Koffer gepackt und blieben dort über Jahrzehnte verborgen. Welch großer Verlust für die Kunstwelt! Doch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, genauer gesagt 2011, fand ihre Großnichte, Jane Anderson, den mysteriösen Koffer mit den Werken von Edith wieder. Was für einige als bloße Familienzusammenführung beginnt, entpuppt sich als Wiederauferstehung einer fast vergessenen Künstlerin.

Nun, was sagt das über unsere heutige Gesellschaft aus? Ganz klar: Viele propagieren gern die Vorzüge liberaler Offenheit und Vielfalt, aber in dieser Geschichte sehen wir die düstere Seite der vermeintlichen Akzeptanz vergangener Tage. Ein intelligentes Fragezeichen Zeichen sollte über alle schwirren, die immer noch glauben, dass es keine Rechte mehr zu sichern gibt, die zu Unrecht verwehrt werden.

Zehntausende alte Werke, die auf Dachböden, in Kellern oder Koffern verstauben, sind sinnbildlich für den Umgang der Gesellschaft mit Frauen wie Edith. Liberale Kulturbewahrer predigen gern die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Seltsam, dass hier keine besseren Vorbilder präsentiert werden können. Oder haben die einfach zu viel damit zu tun, den Status quo zu bewahren? Welch Doppelmoral!

Die Entdeckung von Edith Wilkinson's Kunstwerken zwingt uns, die Konversation über längst vergessene Künstlerinnen zu erneuern. Künstler, die in ihrer Zeit unterdrückt wurden und jetzt posthum auf einmal Beachtung finden. Sicherlich ist es reizvoll, einen 'verfolgten Künstler' in den Medien zu präsentieren, kommen solche Geschichten doch oft mit einem Hauch Nostalgie und einem Schuss Tragik daher. Tatsächlich könnten moderne Parallelen zur damaligen Zeit gezogen werden. Wer wird heute auf ähnliche Weise ausgegrenzt?

Ediths Bilder sind Ausdruck einer Seele, die durch Widrigkeiten nicht gebrochen werden konnte. Farbenfroh, lebendig und voller Feinheit – diese Merkmale zeigen, wie wenig sich Edith von den gesellschaftlichen Normen beeindrucken ließ. Ein Schaffenswerk, das nicht auf seinen künstlerischen Wert reduziert werden darf. Doch warum müssen erst Jahrzehnte vergehen, damit sie sichtbar werden?

In einer Welt, die sich als aufgeklärt und gleichberechtigt verkauft, zeigt die Geschichte von Edith, dass dies oft nur dem Schein entspricht. Wäre nicht Andersons leidenschaftliches Engagement gewesen, hätte die Kunstwelt nie von der brillanten Künstlerin erfahren, die einmal Edith Lake Wilkinson war. Man kann also durchaus von einer 'Koffer-Revolution' sprechen.

Wenn wir eines aus Ediths Geschichte lernen können, dann dass die Vergangenheit stets präsent ist und neue Horizonte öffnet. Kunst und Kultur sollten die Ersten sein, die den Zeitgeist hinterfragen und nicht bloß passiv spiegeln. Es ist höchst ironisch, wie sehr einige Kreise Geschichten wie die von Edith Lake Wilkinson heute für sich vereinnahmen und problemlos in ihre utopische Vision eines vermeintlich gerechteren Systems integrieren – unreflektiert bleiben bestehende Missstände unangetastet.

Die Geschichte von Edith Lake Wilkinson ist kein Einzelfall, sondern Teil eines breiteren gesellschaftlichen Missstandes, der bis heute nicht behoben ist. Hierauf müssen wir den Finger legen, denn die Vergangenheit wiederholt sich nicht nur in der Kunst, sondern auch in unserer gegenwärtigen Realität. Wer jetzt noch die Augen verschließt, dem ist kaum zu helfen.