Vergnügen zu Töten: Das Spiel mit dem Feuer

Vergnügen zu Töten: Das Spiel mit dem Feuer

Mal so richtig Gas geben und die Abgründe der menschlichen Psyche erforschen, genau das tut Karl Heinz Böhm in seinem Werk „Vergnügen zu Töten“. In einer Zeit großer Umbrüche geschrieben, fordert es die Gesellschaft heraus, die dunkle Lust am Verbotenen zu verstehen.

Vince Vanguard

Vince Vanguard

Wenn Maler zu blutverschmierten Leinwänden greifen und Autoren mörderische Worte auf Papier zaubern, um die dunklen Tiefen der menschlichen Psyche auszuloten, muss ein Autor wie Karl Heinz Böhm dabei gewesen sein. Böhm, ein deutscher Schriftsteller, erschuf „Vergnügen zu Töten“ mitten im während der Umbrüche der 1960er Jahre, als sich die gesellschaftlichen Normen änderten - und er wusste genau, wie man provoziert. Dieses Buch entfaltet sich wie ein düsteres, kunstvolles Gemälde und beleuchtet Abgründe, von denen uns die tugendhaften Geister vor den Zerrspiegel ihrer Moral zurückhalten wollen.

Wer also glaubt, dass nur Blüten auf Wiesen werfen den Geist beflügelt, lag falsch. Böhm feiert das Abgründige, indem er seine Leser mit in die düstere Welt der Mordlust nimmt. Da gibt es keine Handhaltung zur Selbstberuhigung wie bei einem modernen Psychothriller. Böhm zieht den Leser unvermittelt ins Geschehen, er lässt keine Zeit zum Verschnaufen und erstickt das kaum gespriesste Mitleid im Keim.

Man mag behaupten, Böhms Werk sei ein Produkt seiner Zeit – ein Kommentar zur Umwertung aller Werte, die in den wilden 60ern stattfand – und vielleicht hätte Nietzsche dabei genickt. Während andere die freie Liebe von Woodstock feierten, wagte Böhm einen ausgiebigen Stich in den dunklen Schoß des menschlichen Geistes.

Mit „Vergnügen zu Töten“ entfesselt Böhm einen Skandal, der die Gesellschaft zur Auseinandersetzung zwang: wie weit kann, darf und soll Unterhaltung gehen? Und warum hat der Mensch Freude am Verbotenen? Während manch einer da zart errötet und andere den Bildungsauftrag vor sich hertragen, sieht der politisch konservative Geist eine tiefere Wahrheit: die Darstellung sündhafter Gelüste ist nicht einfach Unterhaltung, sondern ein Spiegel, den die Gesellschaft verdient hat.

Angesichts dieses Werks versteht man, warum gute Literatur schockieren und aufwecken muss. Mal ehrlich, hat man jemals von passender Unterhaltung gelernt? Erinnern wir uns – trotz all des Geschreis über angemessene Themen – nicht viel eher an das, was uns aus der Komfortzone zog? Sicher ist, dass Good ol‘ Böhm das wusste.

Zur Frage des Warum legt uns Böhm all die Fragen der menschlichen Existenz vor wie die Regeln eines Spiels, dessen Spielfiguren uns bekannt vorkommen. Es ist nahezu kafkaesk, wie er es schafft, in einer verzerrten Version unserer Welt zu verweilen und gleichzeitig die trügerische Harmonie in klare Muster zu fassen.

Es wäre zu einfach, seine Protagonisten als Stellvertreter zu bezeichnen, denn diese sind weitaus mehr als das: Sie sind unsere innersten Antriebe, unsere tabusierten Lüste, die Verheißung des üblen Verlangens, das wir doch so gerne abstreiten. Jedes Kapitel strotzt vor psychologischer Bedeutungsschwere und wirft ein unerschrockenes Licht auf die Abgründe des menschlichen Geistes. Selbst wenn der Durchschnittsleser beim Anblick solcher Abgründigkeit die Nase rümpfen mag, erschließt sich dem, der tiefer blickt, eine ganz neue Welt.

Sicher treffen nicht alle dieses Machwerks den Geschmack jener, die sich in bescheidenen Hallen von Nadelholz wähnen – das ist klar. Doch während die Fassade der Tugendhaftigkeit Risse bekommt, zeigt das Ungezeigte seinen echten Reiz. Der Mensch, schon immer von seiner Natur an die Grenze des Möglichen gezogen, darf sich hier einmal mehr in der Rolle des Verweigers und doch so tief hängenden Traubenbesitzers sehen.

Karl Heinz Böhm erweist sich also nicht nur als ein provokanter, sondern auch als ein zutiefst wahrhaftiger Künstler, den es hier zu würdigen gilt. Die Frage bleibt: Wird die heutige Gesellschaft bereit sein, solche literarischen Offenbarungen zu umarmen, oder wollen wir uns weiterhin mit Zuckerwatte und Luftschlössern nähren? Ein Werk wie „Vergnügen zu Töten“ fordert Aufregung, nicht Abwendung, und es zeigt, dass Literatur mehr sein kann als nur merkantile Belustigung für Konsumherzen.

Böhm versteht es, die Grenze des Möglichen zu erweitern und mit jedem Satz die moralische Selbstgerechtigkeit herauszufordern. Es bleibt die Frage, ob wir zivilisierten Wesen oder trotz der abendlichen Geschichtsstunde zu degenerierten Kreaturen geworden sind. Denn am Ende liegt es am Leser zu entscheiden: Möchten wir uns dem Schmerz der Erkenntnis stellen oder in gelebte Lügen flüchten?