Man könnte fast meinen, das Leben von Simone Pianetti sei einem packenden Thriller entsprungen, der niemanden unberührt lässt. Geboren 1858 in einem kleinen, fast vergessenen Dorf in der Bergregion der Lombardei, fand sich Pianetti in einem Leben der Zwänge und des Missbrauchs wieder. In der strengen patriarchalischen Struktur Norditaliens versuchte der kluge und fähige Mann, seinen eigenen Weg zu gehen.
Doch was geschieht, wenn ein aufrechter Mann mit den Regeln einer Gesellschaft konfrontiert wird, die keinen Platz für Individualität bietet? Pianetti, ein kluger Geschäftsmann und zudem ein ambitionierter Forscher, eröffnete 1904 eine Schenke und Mühle nahe Camerata Cornello. Seine offenen, fortschrittlichen Ansichten und innovativen Ideen gerieten jedoch schnell mit den starren Traditionen seiner Nachbarn in Konflikt.
Am 13. Juli 1914, an einem glühend heißen Sommertag, nahm Pianetti dann das Gesetz in die eigenen Hände. Ein Mann, der unter den Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten einer dysfunktionalen Gemeinschaft litt, wurde zum 'Outlaw'. Mit einer Winchester-Büchse bewaffnet, richtete er in einem Blutrausch innerhalb weniger Stunden sieben Menschen hin, darunter ein Priester und ein weiterer Kirchenvertreter.
Kann man Pianetti als Opfer einer stark verankerten Moraljustiz werten? Die Spannungen zwischen einer konservativen Gemeinschaft, gefangen in ihren längst überholten Wertevorstellungen, und einem erdachten Fortschrittlichen wie Pianetti bieten reichlich Diskussionsstoff. Man fragt sich, wie viel Kontrolle über das eigene Schicksal einem starken, unabhängigen Mann seiner Zeit eingeräumt wurde.
Während sein blutiger Umsturz heutzutage als Mord angesehen wird und verurteilt werden sollte, verweist die geringe Anteilnahme der damaligen Obrigkeit in der Fahndung nach Pianetti auf ein Scheitern der Institutionen - einige mögen es als verständnisvolle Reaktion auf seine verzweifelte Verzweiflung deuten. Nach den Morden verschwand er spurlos in den Bergwelten der Umgebung und schlug seine Verfolger geschickt in die Flucht, was eine gewisse Sympathie und stille Bewunderung bei seiner Bevölkerung hervorrief.
Man stelle sich vor: Ein Mann am Rande der Gesellschaft, entfremdet und missverstanden, fand seinen einzigen Ausweg im Gesetz des Stärkeren. Das romantische Bild des Rebellen, der sich gegen das verkehrte System auflehnt, beschreibt nicht eine Rache, sondern eine Rückkehr zu alten, natürlichen Gesetzen.
Liest man die Geschichte von Pianetti, kann sie als Warnung vor der Verletzlichkeit der Menschheit verstanden werden. Wenn die politisch korrekte Gesellschaft von heute versucht, alle individuellen Unterschiede und abweichende Lebenswege zu verwerfen, bringen Pianettis Erfahrungen uns zum Nachdenken darüber, was passiert, wenn jemand außerhalb der gesellschaftlichen Kette tritt.
Seine Taten sind ohne Zweifel tragisch und verwerflich, doch was Pianetti in erster Linie hervorhebt, ist seine erdrückende Konfrontation mit den damals herrschenden sozialen Regeln. Die Geschichte von Simone Pianetti ist die eines bemerkenswerten Mannes, der letztlich in einem undurchdringlichen Teufelskreis der Verluste und Benachteiligungen landete. Sie erinnert daran, dass manchmal die Dämonisierung des Andersartigen die Glut entfacht, die zu zerstörerischen Handlungen führt.
Simone Pianetti bleibt daher sowohl als warnendes Beispiel als auch als faszinierende Randfigur der Geschichte italienischer Aufstände in Erinnerung. Als Konservativer betrachtet man Pianetti nicht als Helden, aber als ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie gefährlich es werden kann, wenn die Grenzen zwischen der individuellen Freiheit und den gesellschaftlichen Erwartungen zu fest gezogen werden.