Ruth Crawford Seeger, eine Frau, die es wagte, in der männerdominierten Welt der klassischen Musik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Fuß zu fassen – was für eine Revolte gegenüber den gängigen Normen! Geboren am 3. Juli 1901 in East Liverpool, Ohio, revolutionierte Crawford Seeger die Avantgarde und avancierte zu einer der bedeutendsten Komponistinnen Amerikas. Ihre Musik – radikal, modernistisch und voll komplexer Strukturen – stößt sicherlich manchen auf, der Einfachheit und Zugänglichkeit schätzt. Wen wundert es, dass sie nicht unbedingt die Lieblinge der Massen beeindruckte?
Was machte Ruth Crawford Seeger so besonders? Zunächst einmal war ihre Beschäftigung mit der amerikanischen Folklore ein zentraler Aspekt ihres Lebens und ihrer Karriere. Nach einem tiefen Eintauchen in die modernen Kompositionspraktiken der 1920er Jahre fand sie später eine neue Berufung im Sammeln und Bearbeiten von amerikanischen Volksliedern. Man stelle sich nur den Aufschrei vor, als sie begann, die traditionellen Klänge Amerikas in ihre avantgardistischen Kompositionen einfließen zu lassen! Ein kühner Schritt, der sicher nicht im Interesse jener liegt, die ihre musikalischen Traditionen gerne unverändert sehen.
Kommen wir zur Familie. Heirat mit Charles Seeger, einem prominenten Musikethnologen? Das öffnete Türen für Ruths tiefes Eintauchen in die Welt der Folklore, aber auch zur Kritik, wenn man bedenkt, dass Seeger selbst ein erklärter Befürworter der Sozialreformen war. Und ja, sie erweckten mit ihren vier Kindern – ein Patchwork aus Folklore und avantgardistischer Disziplin – sicherlich so manche gemischte Gefühle. Eine Familie, die in einer Wolke von Musik und Ideologien lebte. Doch mit Pete Seeger als Stiefsohn, einem Ikon der amerikanischen Folk-Bewegung, formte Ruth Crawford wohl gleich selbst zukünftige Generationen.
Dann ihre Rolle im New Deal. Ruth Crawford Seeger sammelte während der 1930er Jahre unzählige Volkslieder für die Library of Congress. Sie sah, wie diese authentischen Stimmen und Geschichten der arbeitenden Bevölkerung bewahrt werden konnten. Doch wie politisch neutral war dieser Schritt tatsächlich? Ein Mischen von Folk-Musik und Regierungen, ein ambivalentes Bündnis – sie wusste genau, was sie tat. Missbilligung oder Respekt, wohin tendiert man bei dieser Schnittstelle zwischen Kunst und politischer Agitation?
Ihre Musik selbst – natürlich! Ruths frühe Werke trugen die Stigmata einer entschlossenen Modernistin. Harmonische Dissonanzen und parallele Kontrapunkte durchziehen ihre Partituren, als ob sie darauf abzielte, jedwede Harmonie in Frage zu stellen. Sie verstößt gegen Konventionen, setzt Notationen gegen sich selbst ein und verfolgt eine strukturelle Strenge, die man selten sieht. Kein Wunder, dass viele sie lieber als „hermetisch“ denn als „zugänglich“ bezeichnen. Ihr Werk „String Quartet 1931“ gilt bis heute als eines der fundamentalen Werke der modernen amerikanischen Musik. Sicher ein Loblied für Kenner, aber nichts für die Ohren derjenigen, die musikalischen Komfort suchen.
Manch einer möchte sie vielleicht aus dem Fenster der großen Geschichte werfen, weil sie anders war – weil sie es wagte, Bekanntes infrage zu stellen und Neues einzuführen. Aber das macht sie nicht weniger beachtenswert. Man muss nicht alles mögen, was neu ist, aber Ruth Crawford Seeger verweigert es, ignoriert zu werden. Ihre Musik und ihr Lebenswerk sind eine Herausforderung für diejenigen, die Innovationen in der Musik als Bedrohung für das Traditionelle ansehen. In einer Ära, die von Umbrüchen geprägt war, war Ruth Crawford Seeger eine Frau, die keine Angst hatte, den Status quo zu provozieren, mit einem Stil, der definitiv nicht jedem passt.