Wer glaubt, dass Fußball nur um Tore und Tabellen geht, der kennt Roter Stern Wien nicht. Gegründet im Zuge des sozialistischen Aufschwungs 1974 in Wien, hat sich dieser Verein nicht nur dem sportlichen Wettkampf verschrieben, sondern auch einem ideologischen. Am Rande der Stadt, wo Roter Stern seine Spiele austrägt, handelt es sich aber kaum um einen Ort des unbeschwerten Fußballs. Stattdessen ist der Club ein sozialistischer Mikrokosmos im Fußballformat – ein Club, der Fragen aufwirft und dogmatische Antworten liefert.
Man könnte meinen, ein Verein wie Roter Stern Wien wäre politisch neutral – der Fußball steht, so sagt man, über allem. Doch nicht hier! Für diesen Verein, der mit klaren linken Werten wie Antifaschismus und Antirassismus auftritt, ist jeder Pass ein politisches Statement. Genauso gehören Solidarität und Gleichberechtigung zum ideologischen Repertoire wie das runde Leder zum Sportplatz. Diese Haltung macht sich bei jedem Spiel bemerkbar, sei es durch politische Botschaften auf den Bannern oder die Haltung der Fans auf den Zuschauerrängen.
Natürlich würde im politisch aufgeladenen Klima von Roter Stern Wien kaum jemand daran denken, das sportliche Potenzial zu hinterfragen. Fragen Sie einmal die Vereinsführung: Der sportliche Erfolg steht hier nicht unangefochten an erster Stelle – vielmehr zählt der gesellschaftliche Wandel. Fragen Liberale hier nach sportlicher Strategie, kommt oft nur ein Lächeln zurück. Roter Stern geht es darum, mit Fußball die Welt zu verändern.
Verteidigung der Ideale auf und neben dem Platz ist bei Roter Stern eine Selbstverständlichkeit. Ob man sich nun mit politischen Parolen schmückt oder gegen den „Mainstream“-Fußball aufbegehrt, der Club versteht sich als Widerstandsnest abseits des profitgetriebenen Rummels der großen Ligen. Den Gegnern auf dem Platz wird weit mehr als nur sportlicher Ehrgeiz abverlangt – sie treten gegen ein Kollektiv an, das von ideologischen Überzeugungen geeint wird.
Roter Stern lebt eine Überzeugung, die in der modernen Sportwelt oft fehl am Platz erscheint. In der Welt der Millionentransfers und des Glamours inszeniert sich der Club als Gegenpol. Man setzt auf Gemeinschaft und Solidarität, auf das Verweben von Sport und Gesellschaftskritik. Große Sponsoren sucht man hier vergebens, ebenso wenig werden hier abgehobene Prestigeprojekte verfolgt. Vielmehr wird versucht, Fußball als Instrument der sozialen und politischen Veränderung zu nutzen.
Abseits des Spielfelds engagiert sich der Verein in Projekte, die in einer zunehmend auf Konsum reduzierten Welt überraschen mögen. Ob es um Bildungsinitiativen, Kunstaustellungen oder politische Diskussionen geht: Der Fußballplatz wird zur Bühne für gesellschaftliche Veränderung. Es wäre eine doppelte Täuschung, Roter Stern Wien nur als einfachen Sportclub zu betrachten.
Club-Traditionen und die Loyalität der Anhänger sind bei Roter Stern eng verknüpft mit ihrer originellen Ausrichtung. Die Fanszene lebt ihre Überzeugungen sichtbar und hörbar, sowohl im Stadion als auch darüber hinaus. Manchmal räumlich eng, aber stets ideologisch klar, definieren sie den Weg des Clubs. In der bunten, aber doch homogenen Fanlandschaft des österreichischen Fußballs fällt der Rote Stern beim Versuch, sich gegen den Strom zu behaupten, zweifellos auf.
Ihr Ansatz ist nicht nur sportlich relevant. Bei Roter Stern Wien geht es um mehr als nur Tore und Ranglisten, sondern darum, Werte zu vermitteln und eine klare Botschaft zu senden. In einer Welt, die zu oft ein Auge zudrückt, versucht der Club, Augen zu öffnen. Auf seine ganz eigene, kämpferisch-linke Art.
Ein Blick auf die Ergebnisse und die Platzierung dieses Clubs in der österreichischen Fußballlandschaft ist schnell gemacht. Aber Roter Stern Wien fordert mehr als nur eine sportliche Bewertung. Die wahre Spannung liegt wohl in dem, was der Club nicht unmittelbar auf dem Platz, sondern in den Köpfen seiner Mitglieder und Unterstützer bewirken kann. Ein Club über den es sich lohnt, zu reden – besonders, wenn es einem Spaß macht, die etablierten Gewohnheiten des Sports infrage zu stellen.