Ronnie Biggs, der Mann, der aus dem Schatten trat und die Welt verblüffte, ist mehr als nur ein Charakter aus einer Gaunerkomödie. Biggs gelang es, sich als Architekt des 'Großen Postzugraubs' von 1963 in die Geschichtsbücher einzutragen. Alles begann in einer dunklen Augustnacht, als Biggs und seine Gang einen Nachtzug in England überfielen und damit satte 2,6 Millionen Pfund erbeuteten. Aber hier endet die Geschichte nicht – sie nimmt erst Fahrt auf, als Biggs mit einem beispiellosen Gefängnisausbruch 1965 schlagartig zum meistgesuchten Mann der Welt wurde.
Man mag denken, dass Ronnie Biggs nur ein gewöhnlicher Krimineller war, doch er war weit mehr als das. Nach seiner Flucht verbrachte er Zeit in Australien und Südamerika, wo er zur Ikone der Popkultur avancierte. Mancherorts wurde er als Held gefeiert, eine bizarre Umkehrung der Moral. In Australien schlüpfte er buchstäblich in die Haut eines anderen, indem er sich plastische Chirurgie gönnte und eine neue Identität annahm, bevor er sich nach Brasilien absetzte. Dort fand er die perfekte Lücke im Gesetz und genoss eine Freiheit, die vielen Obrigkeitsgläubigen sauer aufstieß.
Es brennt einem förmlich auf der Zunge: Warum wird ein Mann wie Ronnie Biggs in manchen Kreisen glorifiziert? Sind es seine rebellische Natur oder die schamlose Unverfrorenheit, mit der er sein Leben führt? Sicherlich ist die Idee des Outlaws faszinierend, die Vorstellung, der Obrigkeit zu entkommen, reizvoll für manche. Doch wenn Gesetze nichts mehr wert sind, steuern wir schnurstracks auf das Chaos zu. Und genau das tat Biggs: er lebte im Chaos, beschönigte die Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und genoss die mediale Aufmerksamkeit, die ihm geschenkt wurde.
Biggs' Leben war nicht nur ein Lauf vor der Justiz, sondern auch eine öffentliche Inszenierung. 2001, entschied er sich, nach England zurückzukehren und stellte sich den Behörden. Zu diesem Zeitpunkt war er ein alter Mann mit vielen gesundheitlichen Problemen – und es war die britische Schlangengrube namens NHS, die ihm am Ende half, indem sie ihm die nötige medizinische Versorgung bereitstellte. Diese Unterstützung auf Kosten der Steuerzahler wirft Fragen auf: Sollte eine Gesellschaft Sympathie für einen ausgebufften Kriminellen aufbringen? Für jemanden, der es fast vier Jahrzehnte lang verstanden hat, dem Recht zu entkommen, während ehrbare Bürger das System finanzieren?
Man könnte argumentieren, dass er die Konsequenzen seiner Taten auf eine 'romantische' Weise ertrug, dass er die Strafe in Gefängniszellen und Krankenhäusern als eine Art schrittweises Abschweifen genoss. Doch der wahre Preis seines Lebensstils bleibt jenen vorbehalten, die unter seinen Taten litten: den Opfern des Raubzugs. Sie waren nicht die glitzernden Stars in den Boulevardblättern, sondern die leisen Stimmen, die nie einen Soundtrack bekamen. Das ist der knallharte Kern seiner Geschichte – und man fragt sich, wie Biggs selbst in das Narrativ passt, das er spinnt.
Für die versierten Linken, die er mit seinem Charisma blendete, war Biggs vielleicht ein Robin Hood unserer Zeit, doch in Wahrheit verliert niemand sein Gold, aber viele ihre Werte. Die von ihm gelebte Anarchie ist keine Antwort auf gesellschaftliche Missstände, sondern ein symbolisches „Kick in den Hintern“ für all jene, die an die Macht der Rechtsstaatlichkeit glauben. Ronnie Biggs dient als Mahnung – ein lebendes Paradoxon, dessen Leben wie eine Litanei von Gesetzesbrüchen und moralischen Fragen verlief.
Die Geschichte von Ronnie Biggs ist eine, die uns dazu zwingt, die Schleier von Glorifizierung und Legenden zu lüften und zu hinterfragen, wofür wir als Gesellschaft stehen. Mögen wir uns also gut überlegen, wen wir als Helden feiern. Der Hanswurst, der die oberen Zehntausend lächerlich machte? Oder den Mann, der dem Gesetz, und damit uns allen, ins Gesicht lachte?