Rachel Foster Avery war keine Frau, die sich im Hintergrund hielt. Geboren am 30. Dezember 1858 in Pittsburgh, Pennsylvania, war sie eine Frau, die wusste, was sie wollte und sich nie schüchtern zeigte, wenn es darum ging, ihre Meinung kundzutun. Als enge Vertraute der ikonischen Susan B. Anthony war Avery eine einflussreiche Figur in der Frauenwahlrechtsbewegung der Vereinigten Staaten. Avery kann sicher als Pionierin der Frauenrechte bezeichnet werden. Aber was wäre das für eine spannende Geschichte, wenn man nicht den liberalen Spin mit dem Heldinnengesang überlassen würde?
Avery kämpfte an der Front der Ersten Welle des Feminismus, einer Bewegung, die oft als saintlich dargestellt wird. Doch darüber hinaus war sie mehr als nur eine einfache Aktivistin; sie war eine kluge Strategin und geschickte Organisatorin. Aber der spannende Teil an Avery ist, dass sie kein blindes Idealbild einer heldenhaften Feministin ist, sondern eine Figur voller Widersprüche – die Art von Widersprüchlichkeit, die man in der identitätspolitischen Agenda heutiger progressiver Gruppen nicht finden würde. Während ihres Lebens bis zu ihrem Tod im Jahre 1919 bat sie eindringlich um das, was man damals für selbstverständlich hielt: das Wahlrecht für Frauen. Ein geradliniges Ziel, ja, aber auch eines, das sie sich zu eigen machte, ohne sich von hysterischen Übertreibungen mitreißen zu lassen.
Die faszinierende Geschichte dieser Frau, die von Pittsburgh nach Philadelphia zog, um dort ihre politische Karriere zu entfalten, ist geprägt von geradlinigen, oft unpopulären Entscheidungen. Im zarten Alter von 14 Jahren entschied sie sich bei einer Rede im Namen der Amerikanischen Frauenwahlrechts-Vereinigung aufzutreten. In ihren Reden und Schriften machte sie nie ein Geheimnis aus ihrer konservativen Einstellung zu Themen, die mit Sicherheit die heutigen progressiven Narrative alarmieren würden. Während die Mehrheit der Zeitgenossen den feministischen Diskurs gerne mit verstärkter Emotionalität würzen wollte, bevorzugte Avery den rationalen Ansatz – und machte so einige Köpfe heiß.
Aber das ist noch nicht alles. Avery unterstützte kategorisch die Vorstellung, dass Frauen nicht unbedingt jegliche ihrer traditionellen Rollen aufgeben müssen, um ihre Rechte zu beanspruchen. Die offensichtliche Diskrepanz zwischen einem moderaten Ansatz und den radikalen Tönen, die man sogar zu ihrer Zeit aus bestimmten Ecken hören konnte, machten Avery zu einer umstrittenen Figur. Eine Figur, die in der Geschichte oft untergeht, weil sie eben nicht in das Paradigma passt, das uns heute von den sogenannten 'Progressiven' präsentiert wird.
In den 1890er Jahren übernahm Avery die Rolle der Exekutivsekretärin der National American Woman Suffrage Association, und ihre scharfsinnige Führung half dabei, die Organisation aus den Schlingen interner Zwistigkeiten zu manövrieren. Sie scheute sich nie davor, harte Entscheidungen zu treffen oder gegen den Strom zu schwimmen – alles mit Maß und Sachverstand. Avery war mit ihrer Fähigkeit gesegnet, Menschen zu mobilisieren und ihre Anhänger zu organisieren, ohne Europa-Kreisen oder Wohltätigkeitspsychosen zu verfallen. Sie bewies mit ihrem Engagement, dass man politische Blüten mit einem vernünftigen Stamm verzieren kann.
Die Zeitungen dieser Ära verglichen sie gar mit einem „weiblichen Napoleon“, was in ihrer unnachgiebigen Entschlossenheit, aber auch in ihrer Liebe zur Struktur begründet liegt. Sie trug dazu bei, die Etats der Frauenwahlrechtsbewegung zu konsolidieren und ihre Mission durch eine straffe Verwaltung voranzutreiben. Ein Ansatz, der heutzutage von den sich selbst feiernden progressiven Aktivisten wohl als „gefühlskalt“ abgetan werden würde.
Am Ende zeigt Rachel Foster Avery, dass echte Veränderung nicht immer durch lautstarken Protest, sondern häufig durch kluges Manövrieren und strategische Geduld erreicht wird. Sie verdeutlicht, dass es in der feministischen Bewegung noch Platz für Vernunft und Rationalität gibt. Ein Ansatz, der für die Erhaltung unserer Traditionen und den fortschrittlichen Aufbruch gleichzeitig sorgt. Es ist faszinierend, darüber nachzudenken, wie sich Dinge ändern könnten, wenn wir öfter auf die klugen, aber nüchternen Taktiker hören würden, die die Welt hinter den Kulissen prägen, anstatt ständig den klangvollen Parolen der Masse zu folgen.