Wenn man die JMBG-Proteste in Bosnien und Herzegowina durch eine realistische Linse betrachtet, könnte man sagen, dass es eher ein lautes Getöse als ein bedeutungsvoller Protest war. Im Juni 2013 fanden sich in Sarajevo unzählige empörte Bürger vor Regierungsgebäuden ein – Personen, die ihren Samstag nicht mit Einkäufen oder Ausflügen ins Grüne verbringen wollten, sondern stattdessen ihren Unmut über eine scheinbar unbedeutende Verwaltungspraxis der Regierung kundtun wollten. Die Rede ist vom sogenannten „Jedinstveni matični broj” (JMBG), der einzigartigen Identifikationsnummer, ohne die Formalitäten des Alltags nicht erledigt werden können.
Das Problem begann, als am 12. Februar 2013 die Verordnung über die Vergabe dieser Kennnummern auslief und sie die Regierung nicht in der Lage war, ein Nachfolgegesetz zu verabschieden. Dadurch erhielten neugeborene Kinder kein JMBG und konnten weder Reisepässe noch Krankenversicherung erhalten. Die Medien machten daraus ein Spektakel, während aufmerksame Bürger auf die Schlagzeilen aufsprangen, um ihre Unzufriedenheit gegen das vom Krieg geprägte, unfähige politische System lauthals zu artikulieren. Dasselbe System, das nach all den Jahren der internationalen Hilfe und Bevormundung immer noch wie eine riesige Schnecke entscheidet.
In einer Welt, in der soziale Medien die Dringlichkeit jeder Situation verstärken, war der Protest ein aufgeblähtes Szenario gefangen in der Echokammer des digitalen Raums. Zwar bekam die Bewegung von den internationalen Medien Beachtung, aber sind wir mal ehrlich: wie viel Veränderung brachte dieser Protest wirklich? Während die Organisatoren dieser Massenversammlung sich gerne als Revolutionäre sehen, die das Land aus dem Griff einer lähmenden Bürokratie befreien, scheint die Realität in einem belustigenden Kontrast zu stehen.
Die Durchführung von Protesten sollte stets das Ziel haben, eine signifikante Veränderung herbeizuführen. Tatsächlich muss man jedoch akzeptieren, dass JMBG-Proteste keine dauerhaften politischen oder gesellschaftlichen Veränderungen einläuteten. Die Regierung reparierte den Missstand auf die von Bürokraten bevorzugte Art - durch den Minimalaufwand eines provisorischen Gesetzes. Ja, es wurde eine Sonderregelung gefunden, damit neu geborene Babys ihre Nummern erhielten. Die Gesetzgebung normalisierte sich im Laufe der Zeit und brachte alles wieder ins Lot, bis dann das nächste Verwaltungsdebakel die Schlagzeilen zierte.
In Wirklichkeit war es ein Protest, der aus der Frust heraus geboren wurde, ein kurzes Auflodern von Energie, das schnell wieder erlosch. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, sich auf die tiefgreifendere Reform der politischen Strukturen zu konzentrieren, statt auf ein flüchtiges Verwaltungsdetail. Tatsächlich sind die JMBG-Proteste ein Paradebeispiel dafür, wie kurzfristige Gesellschaftsbewegungen gelegentlich von der langfristigen Vision und Zielsetzung abweichen. Doch offenbar ist es leichter, sich bei einem geringfügigen Problem lautstark Gehör zu verschaffen, als die schwierigeren, systemischen Fragen anzugehen, die in den Eingeweiden des politischen Systems schwelen.
Ironischerweise haben die Proteste in Bosnien und Herzegowina einmal mehr die Spaltung in der Bevölkerung verdeutlicht. Obgleich die Demonstration den Eindruck einer einheitlichen Front erweckte, bleibt die Frage, wie eng die Gesellschaft tatsächlich zusammensteht, um tiefgreifenden Wandel herbeizuführen.
Für den aufmerksamen Betrachter bleibt nur ein nüchternes Fazit: Auch wenn sie ihren Ärger auf den Straßen zeigen, waren die Bürger in Sarajevo und anderswo vielleicht mehr darauf fokussiert, ihrem Ärger Luft zu machen, als wirklich die Zügel für einen titanenhaften Umschwung in die Hand zu nehmen. Während einige diese Bewegung als Anfang einer politischen Wiedergeburt preisen, stehen die Zahlen und Fakten einer solchen Interpretation eher skeptisch gegenüber.
Letztlich bieten die JMBG-Proteste einen Einblick in die Herausforderungen und Hürden, mit denen post-konfliktäre Gesellschaften wie jene in Bosnien und Herzegowina konfrontiert sind. Die einfache Wahrheit ist, dass ohne umfassendere strategische Ansätze, nachhaltiger Wandel nur ein ferner Traum bleiben wird.