Kaum zu glauben, aber es gibt tatsächlich ein Buch, das trotz seines vielsagenden Titels 'Nichts als die Rücklichter' eine solche Welle der Empörung und Diskussion ausgelöst hat, dass man sich fragt, wie es überhaupt möglich ist, über etwas so Trockenes und Stoisches zu diskutieren. Der Roman von Marlena Hedwig, einer klaren Stimme in der deutschsprachigen Literatur, erschien im Jahr 2020. Die Handlung spielt in einem Deutschland, das nicht mehr das Zentrum der liberalen Träume ist, sondern eine optische Täuschung des Fortschritts.
Die Erzählung dreht sich um eine Gruppe von Protagonisten, die das Gefühl haben, in einem Land verloren zu sein, das nur noch Wellen von Rücklichtern preisgibt, während ihre Ideale in einem Meer der Bedeutungslosigkeit ertrinken. Ein potenzielles Aufruhrpotenzial für jeden, der an eine andere, nicht so glänzende Vision Deutschlands glaubt.
Was 'Nichts als die Rücklichter' besonders macht, ist nicht nur die scharfe Kritik an den gegenwärtigen Umständen, sondern auch die beinahe prophetische Darstellung dessen, wohin wir uns als Gesellschaft bewegen könnten, wenn wir nicht aufwachen und handeln. Es ist schon fast ironisch, dass die Liberalen, die sonst so auf ihren Fortschritt pochen, von diesem Buch in Verlegenheit gebracht werden können. Sie reden immer davon, auf dem Pfad zur Erleuchtung zu sein, aber hier zeigt Hedwig, dass es nicht alles Gold ist, was glänzt – oder in diesem Fall, was leuchtet.
Hedwig beschreibt in ihrem Buch, auf eine ernüchternde Art, wie der glorreiche Fortschritt zur grässlichen Entfremdung führen kann. Sie malt ein Bild eines Deutschlands, wo mutige, patriotische Taten als überholte Fossilien gelten, während der unerbittliche Drang zur Globalisierung und der Abbau nationaler Identität als unvermeidliche Notwendigkeiten gesehen werden. Es wird klar, dass dies ein Spiegel ist, vor dem viele nicht gerne stehen. Vielleicht ist es auch genau das, was dem Ruck nach links Einhalt gebieten könnte.
Ein weiterer Punkt, über den Hedwig sehr geschickt schreibt, ist die Thematik der vermeintlich offenen Grenzen. Die Grenzlosigkeit, die von manchen als Fortschritt zelebriert wird, entpuppt sich in 'Nichts als die Rücklichter' als naive Vorstellung, die mehr Schaden anrichtet als nützt. Es ist erfrischend zu sehen, dass eine Autorin den Mut hat, dies auszusprechen und zur Diskussion zu stellen. Denn während der Migrationsstrom als die ultimative Freiheit gepriesen wird, macht Hedwig deutlich, dass Freiheit auch Schutz und Ordnung einschließen muss.
Eine weitere provokante Beobachtung Hedwigs bezieht sich auf die Arbeitswelt. Die so genannten Errungenschaften der Moderne, wie flexible Arbeitszeiten und ständige Verfügbarkeit, werden hier als Fassaden entlarvt, die uns eher zu Sklaven der Zeit als zu Meistern machen. Hedwig beschreibt eindrucksvoll, wie der digitale Fortschritt die menschliche Nähe erodiert und uns alle zu Zahnrädern eines immer schneller laufenden Systems macht.
Hedwig fordert auch in puncto Erziehung dazu auf, die verklärte Sichtweise eines schulischen Einheitsbreis zu überdenken, die Selbstverwirklichung über Disziplin stellt. Das klischeebeladene Ideal der Freien Erziehung bekommt hier einen Dämpfer. Vielleicht wäre es an der Zeit, die alten Werte der Disziplin und des Respekts nicht nur als Relikte einer längst vergangenen Zeit zu betrachten. Echte Schulbildung könnte doch mehr sein als das Befolgen von Trends und Lehrplänen.
Was Marlena Hedwig in 'Nichts als die Rücklichter' aufgreift, ist nichts weniger als eine notwendige Abrechnung mit einem System, das verlernt hat, sich selbst zu hinterfragen. Das Buch zeigt, dass ein Schlaglicht auf die Rücklichter eine Kraft des Erwachens schaffen kann. Wer beim Lesen nicht vor lauter Denken aus den Latschen kippt, hat es einfach nicht richtig gelesen.
In Zeiten, in denen die politische Landschaft durch laute, unreflektierte Parolen geprägt ist, ist es erfrischend, die Werke solcher Autoren zu lesen. In dem Versuch, die simple Wahrheit hinter all dem Lärm herauszumeißeln, hat Marlena Hedwig ein Werk geschaffen, das mehr als nur ein gesellschaftlicher Kommentar ist. Es ist das Fundament für eine Debatte, die in dieser Form schon lange überfällig war.