Man stelle sich ein Haus vor, das gleichzeitig die Architektur des 20. Jahrhunderts revolutioniert und ein Dorn im Auge der sogenannten 'progressiven' Stadtplaner ist. Das ist das Millard Haus, in Pasadena, Kalifornien, das von keinem Geringeren als Frank Lloyd Wright im Jahr 1923 erbaut wurde. Dieser Wright war als einer der Pioniere der modernen Architektur bekannt, aber was ihn besonders auszeichnet, ist sein Talent, mit innovativem Design bestehende gesellschaftliche Normen infrage zu stellen und gleichzeitig die Leute zum Nachdenken zu bringen.
Die Millard House, liebevoll als "La Miniatura" bezeichnet, unterscheidet sich von den übrigen Häusern in der Umgebung. Es wurde mit Textilblocksteinen gebaut, was in Zeiten, in denen Glas und Stahl dominierten, fast schon ketzerisch schien. Diese architektonische Entscheidung war mehr als nur eine Designstrategie; es war ein Statement wider den Gleichmacherei-Trend aber auch gegen den unbehausten Massendurchschnittsgeschmack.
Ein Grund, warum das Millard Haus in der Sozialarchitekturgeschichte so hervorsticht, ist seine einzigartige Verwendung von Materialien und Texturen, die absichtlich roh und unpoliert gehalten sind. Diese Wahl spiegelt Wrights Überzeugung wider, dass man die Natur respektieren soll, anstatt gewalttätig in sie einzugreifen. Man könnte sogar sagen, dass Wright einen instinktiven Konservatismus in seiner Design-Philosophie verkörperte, immer bemüht, die natürlichen Rohstoffe seiner Umgebung zu würdigen und zu nutzen.
Das Millard Haus ist nicht einfach nur ein ästhetischer Triumph, sondern es fordert Betrachter dazu auf, ihre vorgefassten Meinungen über das Verhältnis von Mensch, Natur und Erzgebäude kritisch zu überprüfen. Es stellt sich gegen die monotone Vorliebe für Gleichförmigkeit und Austauschbarkeit, die wir häufig bei den neueren architektonischen Projekten von heute beobachten.
Besonders faszinierend ist das Millard House deshalb, weil es nicht nur architektonisch spannend ist, sondern auch ein kulturelles Phänomen darstellt. Obwohl seine Bewohner, die Millard-Familie, als typische Vertreter der alten Kalifornien-Elite galten, wird das Haus oft von jenen kritisiert, die darin ein Symbol für soziale Ungerechtigkeit und selbstherrliche Isolation sehen wollen. Vielleicht prangt es den Sozialromantikern unwissentlich ins Gesicht, dass Schönheit durchaus erhaben und nicht universell Demokratisierbar sein kann.
All dies führt uns dazu, die Frage zu stellen: Warum wird Millard Haus nicht als das Maß aller Dinge verehrt, das es tatsächlich ist? Möglicherweise liegt es daran, dass diese Vermischung von Tradition und Innovation nicht jedem schmecken kann. Oder weil es keine Kompromisse eingeht und nicht gefallen will.
Doch in der Architektur wie im Leben geht es nicht darum, jedermanns Beifall zu heischen. Es geht darum, Standpunkte zu haben und diese mutig zu vertreten. Leider sieht die moderne Architektur allzu oft aus wie ein Vorschlag aus dem Komitee: glatt, gleichmäßig und gründlich seelenlos. Das Millard House leistet Widerstand gegen diese Tendenzen.
Es ist auch in keinem Fall ein Zufall, dass Wright für das Haus Textilblöcke aus Massenproduktion wählte, die dennoch individuell an jedes Gebäude angepasst wurden. Dieser revolutionäre Ansatz ist das, was das Millard Haus so relevant macht gerade in Zeiten, in denen Massenproduktion allgegenwärtig ist und Individualität sich kaum durchsetzen kann.
Am Ende stellt sich heraus, dass das Millard Haus in vielfacher Hinsicht eine Anomalie ist, eine Rebellion gegen die standardisierte, vereinheitlichte Gestaltung, die wir heute erleben. Es steht aufrecht und selbstbewusst, trotz aller Kritik, genau wie diejenigen, die erkennen, dass wahre Schönheit eben nicht immer demokratisch sein kann.
Man kann von Frank Lloyd Wright halten, was man will, aber es ist schwer zu leugnen, dass seine Arbeit, insbesondere das Millard Haus, eine kraftvolle Mahnung an das ist, was architektonisch und gesellschaftlich möglich ist, wenn man mutig genug ist, die Regeln ein wenig zu biegen.