Marius Jacob: Der Gentleman-Gauner, der die Eliten entlarvte

Marius Jacob: Der Gentleman-Gauner, der die Eliten entlarvte

Marius Jacob war ein französischer Meisterdieb mit einer Mission: den Reichen das abzunehmen, was er als ihren unverdienten Luxus ansah. Sein Leben war geprägt von Gaunereien voller Schläue und Anarchie.

Vince Vanguard

Vince Vanguard

Marius Jacob war der zynische Held des anarchistischen Frankreichs, und seine Abenteuer lassen Robin Hood wie einen Amateur erscheinen. Geboren 1879 in Marseille, Jacob begann seine Karriere im zarten Alter von 11 Jahren auf See. Von seinen Fähigkeiten gelangweilt, tauchte er in das aufregende Milieu der Pariser Unterwelt ein und entwickelte bald eine beeindruckende Karriere als Einbrecher. Er wurde als Meister der Verkleidung und diebischer Intellektueller bekannt, der bereits in jungen Jahren mehr grinste als jeder Bankmanager in seiner gesamten Karriere. Jacob's Diebeszüge waren mehr als nur kriminelle Akte; sie waren politische Statements gegen die ungerecht verteilten Reichtümer der wohlhabenden Oberschicht.

Sein berühmtestes Unterfangen war die Gründung der anarchistischen Diebesbande „Die Nachtarbeiter“, die mehr als 150 Einbrüche in ganz Frankreich verübten. Die „Nachtarbeiter“ bevorzugten es, von den Reichen zu stehlen, da sie glaubten, dass die Elite ohnehin mehr als genug Luxus und Schnickschnack anhäufte. Jacob stahl nicht nur aus Eigennutz; es war eine ideologische Mission. Zu glauben, dass diese Diebe den Armen den Reichtum zurückgeben wollten, war jedoch mehr als naiv. Jacob vertrat entschieden, dass sein Zorn auf die Reichen nicht automatisch das Wohlwollen für die Armen bedeutete.

Kluge Strategien und ironische Botschaften an die Bestohlenen waren sein Markenzeichen. So griff er gezielt die Machenschaften und Heuchelei der Gesellschaft an, ohne mit der Wimper zu zucken. Bei einem seiner berüchtigten Coups in der Kathedrale von Bayonne ließ er eine treffende Nachricht zurück, in der er die skrupellose Ansammlung von Kirchenreichtum anprangerte. Solche Aktionen verdeutlichten, dass Jacob mehr als nur ein Dieb war; er war der Anarchist, der den Finger in die Wunde der Gesellschaft legte.

Am 21. April 1903 wurde er letztendlich gefasst, nachdem er versucht hatte, ins Haus eines Richters in der Provinz einzubrechen. Der Prozess, der in Amiens stattfand, wurde zu einem medienwirksamen Spektakel, bei dem Jacob seine Philosophie der offenen Enteignung als gerechte Aktion gegen die Ungleichverteilung verteidigte. Die Verurteilung zu lebenslangem Zwangsarbeitslager war unvermeidlich, aber selbst dort blieb Jacob erfinderisch. Er brach mehrmals aus und führte den berüchtigten Aufstand ihrer Insassen an.

Nach 20 Jahren und vielen gescheiterten Fluchtversuchen wurde er schließlich begnadigt. Trotz der Freiheit wandte sich Jacob vom Diebeshandwerk ab und zog sich in ein bescheidenes Leben zurück. Letztlich legte er in 1972 in einem Brief dar, dass seine Diebeszüge gescheiterte durch die Illusion der Umverteilung und die immer weiter bestehende Rücksichtslosigkeit der Eliten motiviert waren. Marius Jacob bleibt eine historische Figur, die mit seinem anarchistischen Ansatz das Establishment herausforderte und zeigte, dass Widerstand gegen die Mächtigen oft unkonventionelle Wege nimmt.

Für die liberal gestimmtem Zeitgenossen mag vieles an Jacob anstößig wirken; sein neu interpretierter Marquis de Sade-Ansatz war aber eine unvermeidliche Reaktion auf die zeitgenössischen Missstände. Seine unerschütterlichen Überzeugungen rüttelten an den Grundfesten einer gesättigten, träge gewordenen Gesellschaft und machten seine Diebeszüge zur Parabel eines überzogenen Spiels mit Recht und Unrecht. Ob nun als Vorkämpfer gegen soziale Ungerechtigkeit oder als moralisch fragwürdiger Krimineller angesehen, bleibt die Legende um Marius Jacob ein spannendes Kapitel der Geschichte Frankreichs, dessen Provokation Wirkung über die Zeit hinaus entfaltet hat.