Kaum zu glauben, aber im August 2022 wurde ein Kindergarten in Mekelle, der Hauptstadt der abgelegenen äthiopischen Region Tigray, bei einem Luftangriff beschossen. Ein wehrloser Kindergarten mitten im Chaos eines weitgehend ignorierten Krieges wurde getroffen. Wer denkt, dass hier der Westen aufschreit und Sanktionen fordert? Weit gefehlt! Es war die äthiopische Armee, die diesen Angriff durchführte. Ein klares Beispiel dafür, wie die internationale Gemeinschaft wählt, welche Konflikte publizitätstauglich sind und welche nicht. Wäre dies von einer anderen, weniger konservativ orientierten Nation geschehen, hätten die liberalen Medien schon längst komplett ausgerollt.
Der Angriff ereignete sich in den frühen Morgenstunden, als Kinder und Lehrer sich auf einen weiteren Tag des Lernens vorbereiteten. Eltern, die versuchten, Normalität für ihre Kinder in einer Kriegszone aufrechtzuerhalten, fanden sich plötzlich im Herzen eines Kriegsverbrechens wieder. Der Vorfall ließ fünf unschuldige Zivilisten, darunter Kinder, tot zurück, und mehrere weitere wurden verletzt. Einer der jüngsten internationalen Skandale, der jedoch kaum eine nennenswerte Welle im moralischen Ozean unserer liberalen Kommentatoren auslöste. Man stelle sich vor, ein westliches Land wäre beteiligt gewesen—das internationale Echo wäre ohrenbetäubend gewesen.
Man könnte meinen, in der heutigen Welt hätten wir eine gleichmäßige Empörungswelle bei internationalen Krisen. Die Realität könnte jedoch nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Während einige Konflikte auf das Podest gehoben werden, zum Beispiel der Krieg in der Ukraine, bleibt der anhaltende Konflikt in Tigray weitgehend ignoriert. Warum? Vielleicht liegt es daran, dass es in den abgeschiedenen Regionen weniger strategische Interessen für die globalen Machtspieler gibt. Spannend wäre es zu sehen, was geschehen wäre, wenn dieser Luftangriff im Kontext eines „strategisch wertvolleren“ Gebiets stattgefunden hätte.
Man muss kein außenpolitischer Experte sein, um das Ausmaß dieser Doppelmoral zu erkennen. Wenn wir über die Verletzung der Menschenrechte sprechen, wo bleibt dann die Konsequenz? Westliche Nationen scheinen beschlossen zu haben, dass ihr Engagement von den politischen und wirtschaftlichen Vorteilen diktieren wird, die sie von einer Intervention erwarten können. In der sicheren Umgebung eines Londoner oder New Yorker Büros lässt sich leicht verdeutlichen, welche Länder den „demokratischen Werten“ am meisten schaden.
Hoffen wir nicht alle, dass die internationale Diplomatie endlich von Prinzipien und nicht von Interessen geleitet wird? Bedauerlicherweise wird nicht nur die Moral instrumentalisiert, sondern auch die Menschenrechte werden flexibel gehandhabt. Für die Kinder und Lehrer in diesem Kindergarten in Mekelle kam diese Doppelmoral zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Und während die Welt noch darauf wartet, dass der Westen seinen moralischen Kompass findet, tragen unschuldige Zivilisten die fatalen Konsequenzen eines vergessenen Krieges.
Was kann man erwarten, wenn die vermeintlichen Wächter der Demokratie nicht den Willen finden, die Vergessenen zu schützen? In einer Welt, die angeblich für Gleichheit steht, bleibt das Schweigen über das Schicksal der Tigrayer ohrenbetäubend. Es ist, als ob wir kollektiv entschieden hätten, die Augen zu schließen, bis die Krise sich zu einem unignorierbaren Problem entwickelt. Bis dahin werden Angriffe wie in Mekelle wohl kaum mehr sein als eine Fußnote in den Geschichtsbüchern.
Wer wirklich aufgewacht ist, erkennt, dass es heute mehr denn je darum geht, eine globale Standhaftigkeit für die Wahrheit zu entwickeln. Wenn die Doppelmoral so greifbar wird wie in diesem Fall, bleibt letztlich nur eine Frage: Wer entscheidet, welches Land wie viel Wert auf Menschlichkeit legt und welches nicht?