Manchmal frage ich mich, wann es in dieser Welt ganz genau schiefgelaufen ist, dass Laster plötzlich als Tugend verkauft werden. In einer Gesellschaft, die alles erlaubt und nichts mehr verurteilt, scheint es schwer, den Überblick darüber zu behalten, was wirklich wichtig ist. Wer sind diese Menschen, die den Unterschied nicht mehr kennen? Und warum passiert das gerade jetzt?
Man könnte behaupten, die Ursachen liegen in einem allgemeinen moralischen Verfall. Einst standen Konsum und Genuss hinter harten Arbeitstagen oder als Belohnung für ernsthaftes Streben. Jetzt scheinen sie zum Selbstzweck geworden zu sein. In vielen westlichen Ländern, wo das Konzept der Freiheit großgeschrieben wird, hat sich eine Kultur ausgebreitet, in der jegliche Form von Genuss übertragen wurde und kein Gegenwert mehr gefordert wird.
Ein Beispiel für diesen Wandel ist das Finanzverhalten. Es war eine Zeit, da war Sparsamkeit eine Tugend, während Verschwendung oder exzessive Ausgaben als moralisches Laster galten. Heute erklärt einem die Werbung, dass es völlig akzeptabel ist, jetzt zu kaufen und später zu bezahlen. Schulden zu machen, um die neuesten Gadgets oder das trendigste Mode-Accessoire zu erwerben, wird fast schon wie ein Mutanfall belächelt.
Oder nehmen wir die Frage der Arbeitsethik. Es war einmal eine Zeit, in der harte Arbeit und das Verfolgen eines gesetzten Ziels als edel galten. Jetzt scheint es, als würde es mehr Menschen geben, die nach dem schnell verdienten Geld suchen, lieber ein „Influencer“ sein als einen echten Beitrag zur Gesellschaft leisten wollen.
Doch wie kam es dazu? Man könnte sagen, dass aufstrebende Generationen durch ein ständiges Bombardement von Medien und Werbung beeinflusst wurden. Ihnen wird vorgespielt, dass der Weg des geringsten Widerstands der am meisten erstrebenswerte ist. Doch das ist der falsche Weg – und er schlimmer macht.
Was ist mit Verantwortungsgefühl und Respekt gegenüber anderen passiert? Zu oft wird heute Selbstverwirklichung über Gemeinsinn gestellt, mit dem Resultat, dass Egoismus und Rücksichtslosigkeit weit verbreitet sind. Wenn Eigenverantwortung und Pflichtgefühl zugunsten von persönlicher Freiheit geopfert werden, verlieren wir nicht nur unseren moralischen Kompass, sondern stoßen eine Tür zu politischem Chaos und sozialem Zusammenbruch auf.
Und sind wir nicht schon auf dem besten Weg dorthin? Nach Jahren einer Politik, die Krisenfreiheit und soziale Wohlstandsversprechungen als selbstverständlich verkauft, wird es Zeit, die Grundeinstellung zu überdenken. Wo Tugend einst das Rückgrat der Gesellschaft bildete, sehen wir nun nur ein schwaches Abbild dessen, was einst war.
Die Kritiker werden behaupten, dass der Lauf der Geschichte weitergeht und dass es sich hier um die natürliche Evolution des Lebens handelt. Doch sind das nicht dieselben Leute, die ihre moralische Überlegenheit zur Schau tragen, während sie unsere Werte mit Füßen treten?
Der Druck, sich den Trugbildern und falschen Idealen anzupassen, kommt von vielen Seiten. Doch es liegt an uns, den Unterschied zwischen Tugend und Laster zu erkennen. Die Versuchung mag groß sein, dem simpleren, verlockenderen Weg zu folgen. Doch der Preis dafür könnte letztlich mehr kosten, als man bereit ist zu zahlen.
Es ist an der Zeit, die alten Tugenden wieder hochleben zu lassen. Taten, die von Anstand und Ehre zeugen, müssen wieder zu dem werden, worauf wir stolz sein können. Schließlich sind es diese Werte, die den Kern unserer Gesellschaft wirklich vertreten.
Rückkehr zur Mäßigung, zum Sinn für Verpflichtung und zur Arbeitsethik sind keine verlorenen Konzepte. Sie sind der Schlüssel zu einem stabilen und erfolgreichen Leben, das nicht nur auf kurzlebiger Selbstverliebtheit aufgebaut ist.
Man könnte jetzt denken, dass das alles altmodisch klingt oder nicht mehr in unsere Zeit passt. Tatsächlich aber bietet uns die Rückkehr zu traditionellen Werte einen klareren Kurs durch die Strömungen der Verwirrung und des Chaos, in die uns jüngste Generationen gebracht haben. Anstatt in einer Welt von Lastern zu leben, in der Tugend das eigene Gewissen ist, sollten wir wieder zu dem zurückkehren, was wirklich zählt.