Wer glaubt, dass idyllische Zugreisen längst der Vergangenheit angehören, kennt die Kururi-Linie in Japan nicht. Diese Bahnstrecke, die von der East Japan Railway Company betrieben wird, erstreckt sich auf minimalen 32,2 Kilometern durch die ländliche Gegend der Präfektur Chiba. Ursprünglich im Jahre 1912 eröffnet, ist sie ein Überbleibsel jener Zeiten, als die Politik noch Weitsicht besaß und Infrastrukturprojekte im Einklang mit der Natur geschaffen wurden. Vielleicht verstehen einige Träumer nicht, warum diese Art von Linien im 21. Jahrhundert noch existieren. Die Antwort ist simpel: Weil sie es kann!
Die Kururi-Linie mag nicht die Hochtechnologie und den futuristischen Schick der Shinkansen-Linien besitzen, aber ihr Charme liegt in der Schlichtheit und unverfälschten Naturerfahrung. Hier schweift der Blick noch über Reisfelder und dichte Wälder statt auf nüchterne Betonstrukturen, die das moderne Stadtbild seiner Seele berauben. Täglich werden nur wenige Fahrgäste transportiert, doch für diese bleibt der Erlebniswert unersetzlich – ein Zugticket in die Vergangenheit.
Je tiefer man sich in die japanische Infrastruktur vertieft, desto mehr möchte man sich die Haare raufen. Der fortwährende Versuch der politischen Mitte, subventionierte Bahnstrecken zu verkleinern oder sogar abzuschaffen, kommt einem kulturellen Verrat gleich. Die Kururi-Linie sollte ein Mahnmal dafür sein, dass nicht alles kommerzialisierbar sein muss.
Hier offenbart sich die Magie, die in der Kururi-Linie steckt: Tradition trifft auf Pragmatismus. Japan, ein Land der alten Weisen und moderner Innovatoren, zeigt, wie man alte Konzepte, die weiterhin Relevanz besitzen, lebendig hält. Während andere Eisenbahnlinien weltweit eingestampft werden zugunsten glühender Autobahnen und überteuerter Megaprojekte, beweist die Kururi-Linie Resilienz durch weiterbestehende Beliebtheit bei Einheimischen und Eisenbahn-Romantikern.
Überraschend unbeeindruckt von dem technologischen Wettrüsten des 21. Jahrhunderts, hat die Kururi-Linie trotz unzähligen Modernisierungsversuchen ihren Charme bewahrt. Und warum sollte sie auch gezwungen werden, sich dem überbordenden Fortschrittsdrang zu beugen? Solange es Menschen gibt, die in dieser symbiotischen Verschmelzung aus Natur und Technik reisen wollen, hat die Linie ihre Daseinsberechtigung.
Ein Aspekt, den Nostalgiker mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen, ist die Einbindung der Kururi-Linie in das alltägliche Dorfleben. Die umliegenden Märkte, die Landwirte entlang der Gleise und die prächtige Kirschblütenpracht bieten einen Kulissenzauber, der dem alltäglichen Pendlerverkehr mit einem Hauch Romantik beseelt. Diese Lebensart legt eindrucksvoll Zeugnis darüber ab, dass technologische Überlegenheit nicht die Antwort auf alle Fragen menschlicher Mobilität sein muss.
Natürlich mögen manche diese Sichtweise als rückständig bezeichnen. Doch wohl wissend, dass die Kururi-Linie mit dem einfachen Dieseltriebwagen DE10 betrieben wird, statt mit polierten Elektrozügen, zeigt sich ihre Fortdauerberechtigung durch Praktikabilität gepaart mit dem Willen, Traditionen zu bewahren. Schließlich ist auch das ein Zeichen ökologischer Intelligenz.
Statt die Lobhudelei auf die Vorzüge der Industrie 4.0 heraufzubeschwören, sollten Entscheidungsträger besser einen Zwischenhalt auf der Kururi-Linie einlegen, und sich von ihrer zeitlosen Beständigkeit inspirieren lassen. Für jene, die meinen, schnöder Fortschritt sei die einzig erstrebenswerte Richtung, halte die Kururi-Linie eine stille, aber imposante Lektion bereit: Nicht immer ist es die siegreiche Trompete des Neuen, die unser Leben bereichert.
Das Exempel der Kururi-Linie weckt die Anregung, dass die Gewährleistung einer intakten Umwelt und eines funktionierenden gesellschaftlichen Miteinanders teils in der sanften Umarmung vergangener Werte zu finden ist, anstatt ausschließlich auf ungeduldige Modernisierung zu setzen. Die Zukunft muss nicht immer aus der Zerstörung der Vergangenheit gebaut werden. Ein seriöses Umdenken könnte dazu beitragen, dass noch viele Generationen die Kururi-Linie erleben. Schließlich ist gerade ihre Beständigkeit ein Relikt, das nicht romantisiert, sondern realistisch bewahrt werden sollte.