Seien wir ehrlich, es ist nicht jeder Tag Weihnachten, und das bemerkt man auch spätestens bei Filmen wie 'Kirschtomate'. Dieser deutsche Film, erschienen im Jahr 2020, schlägt in eine andere Kerbe als die lieblichen Kirschgärten der Romantik. Regisseur Andreas Arnstedt zeigt uns die gar nicht so süßen Alltäglichkeiten, die das Leben uns so ohrenbetäubend vor die Füße wirft. Der Film hat in Berlin das Licht der Welt erblickt, ein Ort, der für seine kreative Szene berühmt ist, und erzählt von den oft übersehenen Absurdheiten der modernen Gesellschaft. Hier keine kitschige Verklärung – die Botschaft ist scharf und direkt, fast wie ein Biss in eine saure Kirsche.
'Kirschtomate' lässt die üblichen Hollywood-Klischees weit hinter sich. Stattdessen präsentiert er eine bittere Satire auf die Allgegenwärtigkeit von Luxusproblemen in einer Welt, in der dringendere Themen oft bequemerweise ignoriert werden. Die Charaktere könnten glatt aus dem echten Leben gegriffen sein, so authentisch wie sie erscheinen. Ein Hauch von Melancholie durchzieht die Szenen, während man sich unweigerlich fragt, wie weit entfernt von der Realität sie tatsächlich sind.
Der Film provoziert, indem er den Spannungen zwischen Erwartungen und Wirklichkeit nachgeht. In einer Gesellschaft, die von theatralischen Gestiken und pseudo-intellektuellem Gemecker überschwemmt wird, wirkt 'Kirschtomate' beinahe wie ein bitter nötig gewordener Realitätscheck. Arnstedt wagt den schmalen Grat zwischen Drama und Dokumentation und erzeugt bei aller Nüchternheit doch eine emotionale Verbundenheit mit dem Publikum.
Hier geht es nicht um pompöse Effekte oder Versuche, das Publikum auf einer emotionalen Zuckerwatte-Wolke zu tragen. Vielmehr legt der Film den Finger direkt in die Wunde der heuchlerischen Oberflächlichkeit und zeigt, wie lächerlich diese oft im Angesicht ernsthafter Probleme wirkt. Die Episodenhaftigkeit der Erzählung sorgt dafür, dass die Zuschauer gezwungen sind, über die eigene Rolle im großen Spiel der Meinungsblasen und Willkommenskultur nachzudenken. Anstatt auf das liberale 'Alles wird gut' zu setzen, gibt Arnstedt kein Blatt vor den Mund.
Eine der stärksten Szenen des Films zeigt die Hauptfigur, wie sie mit einem inneren Monolog über die Absurditäten des modernen Lebens hadert. Ohne zu viel zu verraten, diese Szene trifft einen Nerv – sie dringt tiefer als jede oberflächliche Lovestory einer typischen Hollywood-Produktion.
Ein weiteres Highlight des Films ist das Drehbuch, das ohne hohle Phrasen und überfrachtete Dialoge auskommt. Die Verständlichkeit und Klarheit der Dialoge sind erfrischend und werden vor allem diejenigen ansprechen, die der müden Nullachtfünfzehn-Serien mehr als überdrüssig sind. Diese Qualität zieht sich auch durch die filmische Umsetzung. Kameraarbeit und Schnitt sind reduziert und nüchtern, wie auch die Botschaft des Films – direkt und schnörkellos.
Was 'Kirschtomate' besonders macht, ist seine eindringliche Klarheit und die wenig verborgene Kritik an einer schönen neuen Wohlfühlwelt mit Doppelmoral-Übertünchung. Der Film zeigt, wie lächerlich und banal manche der First-World-Problems sind, besonders wenn man sie im Kontext globaler Probleme betrachtet. Er fordert dazu auf, nicht blind das zu glauben, was bequem ist, sondern auch mal ungemütliche Wahrheiten zu akzeptieren.
Wer den Mut hat, sich diesem spürbaren und beinahe provokanten Werk zu widmen, wird staunen, wie viel der Film Preis gibt, ohne dass man zwangsläufig nach einer Erklärung greifen muss. 'Kirschtomate' ist die Antithese zu lauwarmen Filmen voller Klischees und Kompromisse. Es ist kein Film für Menschen, die nur Unterhaltung suchen, sondern einer für alle, die bereit sind, sich mit der Realität auseinanderzusetzen – auf eine Weise, die so manchem die rosaroten Brillen entzaubert.