Wer hätte gedacht, dass eine unscheinbare Blume für das reinste Chaos sorgen könnte? Der Kirschblüten-Skandal, der Anfang der 2000er Japan erschütterte, ist ein Paradebeispiel dafür, wie etwas unschuldig Erscheinendes die ganze Gesellschaft in Atem halten kann. Es war 2001, als bekannt wurde, dass die Organisation „Nippon Travel Agency“ massive Manipulationen um die berühmte Kirschblüte in Japan betrieben hatte. Anstatt sich auf die unvermeidliche Schönheit der Natur zu verlassen, hatten sie das Blühen der Kirschbäume künstlich beschleunigt, um die blühende Saison zu verlängern. Warum? Um mehr Touristen in das Land zu locken und somit mehr Geld einzusacken.
Zuerst zu den Fakten. Die Manipulation begann im Frühjahr 2001, als die Nippon Travel Agency heimlich Techniken einsetzte, um die Kirschblüte künstlich zu verlängern. Mittels chemischer Zusätze und gezielter Beleuchtung wurde die Natur ausgetrickst, denn Touristen strömten wie verrückt herein, in Erwartung dieser malerischen Ansicht. Der Schwindel wurde erst publik, als Botaniker zufällig auf die manipulierten Blüten stießen. Die Aufdeckungsarbeit glich einem Krimi, denn auch staatliche Stellen schienen bis zu einem gewissen Grad involviert oder zumindest nicht interessiert zu sein, sich einzumischen. Der Skandal reichte bis in die höchsten Kreise der japanischen Tourismusbranche und sorgte für Aufruhr, internationale Berichterstattung und nicht zuletzt für heftige Konsequenzen.
Natürlich verlangt jeder Skandal seine Opfer. Die Verantwortlichen innerhalb der Reiseagentur mussten die Verantwortung übernehmen, doch die größere Diskussion drehte sich um die Mentalität, die hinter diesem Vorgehen stand. In einer Gesellschaft, die Tradition und Natur so sehr schätzt, wird mit einem von der Tourismusindustrie initiierten Eingriff in die Natur verheerender Schaden angerichtet. Die Diskussionen erhitzten sich vor allem da, wo Menschen bereit waren, den großen Tourismusboom und das schnelle Geld allem voranzustellen. Kritiker, meist aus nicht überraschend „progressiven“ Lagern, argumentierten, dass die Umwelt durch solche kapitalistischen Anreize immer weiter ruiniert wird.
Die Symbolik der Kirschblüte blieb allerdings unerschüttert. Für viele Japaner ist sie ein Ausdruck von Vergänglichkeit und Anmut, ein unvergleichliches jährliches Event, das ein hohes Maß an kulturellen Werten zum Ausdruck bringt. Doch dieser Skandal zeigte auch, auf welchem schmalen Grat die moderne Tourismusindustrie wandelt. Wenn Tradition auf Gewinnstreben trifft, ist die Konsequenz oft ein schmerzhafter Verrat an den eigenen Idealen. Was wie ein genialer Schachzug im Tourismus schien, entwickelte sich zu einem der größten Reinfall in der japanischen Geschichte, der letztlich den Tourismusbehörden ein teures Lehrgeld bescherte.
Die Frage bleibt, wie viel wir bereit sind, für das Streben nach Profiten zu opfern. Für die Anhänger von altverdienten und beständigen Werten dürfte diese Facette der Wertelosigkeit ein weiteres Indiz für den moralischen Verfall der Gesellschaft sein. Für eine Handvoll Yen riskierte eine ganze Nation ihren Ruf als Bewahrer der Natur.
Man könnte noch darüber spekulieren, welche langfristigen Auswirkungen dieses Events hatte. Gab es in seiner Folge strengere Kontrollen in der Tourismusindustrie? Sicherlich. Hat man aus dem Skandal Lehren gezogen? Das bleibt zu hoffen. Aber ähnlich wie bei vielen anderen Fehltritten, verschwenden sich die Erinnerungen im Laufe der Zeit. Die allgemeinen Prinzipien der traditionellen Wertvorstellungen blieben, der Skandal jedoch, wie Kirschblüten selbst, vergänglich.
Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass nicht alles, was glänzt, Gold ist. Oder in diesem Fall: Nicht jeder Blütenteppich ist echt. Während die liberalen Stimmen laut gegen solche kapitalistischen Praktiken kritisieren, scheint der größere Skandal in unserer kollektiven Bereitschaft zu liegen, derartige Manipulationen überhaupt zuzulassen.