Keir Hardie: Der Held der sozialen Gerechtigkeit oder roter Stern auf Abwegen?

Keir Hardie: Der Held der sozialen Gerechtigkeit oder roter Stern auf Abwegen?

Keir Hardie bleibt eine der schillerndsten Figuren der britischen Geschichte, die sowohl als Held gefeiert als auch als roter Rebell verschrien wurde. Seine Rolle in der britischen Arbeiterbewegung und der Gründung der Labour Party hat die politischen Landschaften für immer verändert.

Vince Vanguard

Vince Vanguard

Keir Hardie: Ein Name, der selbst heute in der politischen Welt Großbritanniens für einige noch wie Donnerhall klingt. Doch wer war dieser Mann, der sowohl als Arbeiterführer als auch als radikaler Politiker im 19. und frühen 20. Jahrhundert Geschichte schrieb? Geboren wurde er am 15. August 1856 in Newhouse, Schottland, und stieg im Laufe seines Lebens als einer der Begründer der britischen Labour Party zu einer Schlüsselfigur der Arbeiterbewegung auf. Diese Entwicklung fällt in eine Zeit, als die Industrialisierung Großbritanniens viele Arbeiter in Not brachte und politische Umbrüche anstanden. Doch warum, so fragt man sich, ist um seine Person ein solches Aufhebens gemacht worden?

Hardies Herz schlug für die Arbeiterklasse, das ist gewiss, aber die Mittel, die er zu deren Befreiung einsetzte, sind auch zu hinterfragen. Es war seine Überzeugung, dass die Arbeiter eine eigene politische Plattform benötigen, was schließlich 1893 zur Gründung der Independent Labour Party führte. Trotz seines Einsatzes für bessere Arbeitsbedingungen und eine Neugestaltung der Gesellschaft, bleibt die Frage: Um welchen Preis geschah das alles?

Schottland und England erlebten Unruhen, und Hardies Ideen zur grundlegenden Veränderung der gesellschaftlichen Strukturen stießen auf erheblichen Widerstand. Seine Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit gingen vielen einen Schritt zu weit. Aber Hand aufs Herz, wie konnte ein Mann, der sich selbst aus bescheidenen Verhältnissen erhoben hatte, glauben, er könne das bestehende System so einfach umkrempeln?

Nicht zu vergessen ist Hardies Rolle im parlamentarischen Betrieb. Er wurde 1892 als einer der ersten Labour-Vertreter ins britische Unterhaus gewählt. Der Einzug von Personen, die für die Interessen der Arbeiterklasse sprachen, war innerhalb der politischen Elite gefürchtet und führte nicht selten zu hitzigen Auseinandersetzungen. Hardies politischer Einfluss war bedeutend, aber auch umstritten.

Die Liberalen hatten zwar ein straffes Programm, aber Hardie war in seinen Methoden beispiellos. Seine Vision, die er verfolgte, war nicht nur revolutionär, sondern für viele schlicht unpraktikabel. Die Idee, die Einkommensverteilung radikal zu reformieren und das Monopol der alten Eliten zu brechen, hört sich in der Theorie bequem an. Doch wer bezahlt die Rechnung am Ende des Tages? Unternehmer und Kapitalgeber sahen sich einer Bedrohung ausgesetzt, die sie dazu zwang, ihre Geschäfte in ein enges Korsett aus Regulierungen zu pressen.

Abseits dieser Wirtschaftsdebatten stellte sich auch die Frage der nationalen Loyalitäten. Hardie war ein Kritiker des Imperialismus und trat für pazifistische Werte ein, was ihm gerade zur Zeit des aufkommenden Ersten Weltkrieges viel Kritik einbrachte. In Zeiten der nationalen Krisen wird erwartet, dass alle an einem Strang ziehen, doch Hardie blieb sich treu und wich keinen Millimeter von seinen Überzeugungen ab, was vielen in der Politik als Landverrat erschien.

Man könnte so weit gehen zu sagen, dass Hardies unbeugsamer Eifer in mancher Hinsicht die Ursache seiner eigenen Probleme war. Seine Sturheit, seine Prinzipien notfalls zu Lasten der politischen Realität durchzusetzen, spaltete nicht nur seine eigenen Unterstützer, sondern machte ihn auch zu einem beliebten Ziel seiner Gegner.

Am 26. September 1915 verstarb Keir Hardie, und hinterließ eine gemischte Bilanz. Seine Rolle in der Etablierung der Labour Party und der Arbeiterbewegung im Allgemeinen ist unbestritten, doch monieren viele, dass seine radikalen Ansichten der politischen Stabilität und wirtschaftlichen Vernunft im Weg standen.

Keir Hardie bleibt eine umstrittene Figur. Ein Pionier für manche, aber für andere ein Mahnmal dessen, was passieren kann, wenn radikale Ansätze die Oberhand gewinnen. War er ein Visionär oder schlicht jemand, dessen Träume letztlich auf die Realitäten prallten? Die Historie mag es richten, aber seine Lebensgeschichte bleibt eine eindrucksvolle Erzählung von Höhen und Tiefen, die heute noch zum Nachdenken anregt.