Stellen Sie sich vor, dass eine Familie, die jahrhundertelang die Geschicke eines riesigen Reichs lenkte, heute nicht nur ins Rampenlicht der Geschichte zurückkehrt, sondern auch heiliggesprochen wird. Die Rede ist von den Romanows, der ikonischen Zarenfamilie Russlands, die im Jahr 2000 von der russisch-orthodoxen Kirche kanonisiert wurde. Dies war nicht nur ein hoher symbolischer Akt, sondern auch eine deutlich konservative Entscheidung, die an der Oberfläche kratzte und tiefe historische Wunden eröffnete.
Wer sind die Romanows? Sie waren die letzte kaiserliche Familie Russlands, die von 1613 bis 1917 regierte. Sie fanden ein blutiges Ende, als sie von den Bolschewiki während der russischen Revolution 1918 in Jekaterinburg ermordet wurden. Doch im Jahr 2000 erklomm die Familie, angeführt von Nikolaus II., erneut das Podium der Geschichte, aber diesmal als Märtyrer und Heilige. Diese Entscheidung entzündete eine hitzige Debatte in Russland und darüber hinaus. Erinnern wir uns daran, dass Nikolaus II. oft als inkompetenter und schwacher Monarch betrachtet wird, dessen Regierungszeit mit Niederlagen und Verlusten – nicht zuletzt der Verlust seiner eigenen Krone – gefüllt war.
Die orthodoxe Kirche argumentiert, dass die Ermordung der Familie nicht nur ein politisches Attentat, sondern auch ein antireligiöser Akt war. Die Kanonisierung der Romanows illustriert folglich mehr als alles andere den Triumph von Glaube und Tradition über den kosmopolitischen Nihilismus der Bolschewiki. Diese Heiligsprechung zeigt eine Rückkehr zu Werten, die die Tradition und den Glauben hochhalten – Konzepte, die viele heute in den „modernen“ Werten vermissen.
Warum ist das heutzutage noch relevant? Die Kanonisierung der Romanows spiegelt eine viel größere Bewegung wider, die geopolitisch und kulturell von Bedeutung ist. In einer Welt, die zunehmend auf Globalismus setzt, fordern viele eine Rückkehr zur nationalen Identität und zu traditionellen Werten. Die Heiligsprechung hat auch dazu beigetragen, die russische Geschichte zu rehabilitieren und das herrschende Narrativ der düsteren Sowjetära herauszufordern.
Ein weiterer Aspekt ist das Bedürfnis der russischen Gesellschaft nach einem stabilen nationalen Mythos. Die Romanows bieten dies in Hülle und Fülle. Ob es uns gefällt oder nicht, Mythos und Geschichte gehen oft Hand in Hand, und die Kanonisierung der Romanows gibt den Menschen nicht nur einen Grund zum Stolz, sondern auch eine historische Erzählung, die das Gefühl von Gemeinschaft und Kontinuität fördert.
Die westliche Berichterstattung über die Romanows ist oft von Skepsis geprägt. Viele behaupten, dass die Legitimierung der Zarenfamilie rückwärtsgewandt sei. Doch wie so oft irrt der westliche Blick auf etwas, das sowohl tiefer als auch bedeutungsvoller ist, als es auf den ersten Blick scheint. Der konservative Beobachter sieht die Heiligsprechung als eine triumphale Rückkehr von Sitte und Moral in einer Welt, die oft ungerechtfertigt Werte und Tradition über Bord wirft.
Es wäre unangemessen, die Kanonisierung nur im Kontext früherer Agenden und Fehltritte der Romanows zu betrachten. Der wesentliche Punkt ist, dass Religion und Tradition in Russland nicht nur überlebt haben, sondern auch bereit sind, mit neuen Iterationen ihre Lebendigkeit zu beweisen. Dass die Kirche und viele Menschen den Romanows eine solche Bedeutung beimessen, zeigt eine Ankerrolle von Tradition, die in vielen Teilen der Welt verloren zu gehen droht.
Kritiker, vor allem aus liberalen Kreisen, mögen dies als einen weiteren Versuch sehen, den Geist der Nation an die „guten alten Zeiten“ zu binden. Doch vielleicht bieten diese „alten Zeiten“ genau die Orientierung, die viele suchen, um den Weg in eine volatilere Zukunft zu finden. Die Kanonisierung der Romanows ist mehr als nur ein Symbol und mehr als nur eine theologisch-legitimierte Passage. Es ist eine Erinnerung daran, dass das, was wir für irrelevant halten, oftmals die Grundlage ist, auf der große Zivilisationen aufbauen.
Was also sagt uns die Kanonisierung der Romanows über die menschliche Geschichte und das gegenwärtige Weltgeschehen? Sie lehrt uns, dass Glaube, Tradition und Geschichte Stränge derselben kulturellen DNA sind, die eine Nation zusammenhalten können. In einer Welt, die oft zügellos in Richtung Veränderung springt, sind es diese Konstanten, die uns möglicherweise den Halt geben, den wir brauchen, um nicht zu verlieren, wer wir sind. Diese Gründe zeigen, warum die Kanonisierung der Romanows mehr ist als nur eine Fußnote in der Geschichte; sie ist eine Erinnerung an die Kraft von Identität und Glaube in einer scheinbar sich ständig verändernden Welt.