Ilomilo (Lied): Der Kapitalismus braucht keine sentimentalen Sehnsüchte

Ilomilo (Lied): Der Kapitalismus braucht keine sentimentalen Sehnsüchte

Wer glaubt, dass Popmusik nur seicht und bedeutungslos sein muss, hat offenbar noch nie 'Ilomilo' von Billie Eilish gehört. Dieses melancholische Lied ist ein moderner Kommentar zur fragmentierten Gesellschaft und unseren ständig verloren gegangenen Werten.

Vince Vanguard

Vince Vanguard

Wer glaubt, dass Popmusik nur seicht und bedeutungslos sein muss, hat offenbar noch nie 'Ilomilo' von Billie Eilish gehört. Dieses melancholische Lied, veröffentlicht im März 2019 auf dem Album When We All Fall Asleep, Where Do We Go?, ist so tiefgründig wie ein Ozean – allerdings einer, in dem keine Rücksicht auf Verluste genommen wird. In einem Musikvideo, das ausgerechnet während der berüchtigten COACHELLA-Festivalsaison viral wurde, zeigt sich Billie mit ihrer unverwechselbaren Stimme und düsteren Vision als moderne Anti-Heldin des Mainstreams.

Billie Eilish, ein Interessant-Produkt, das man nicht aufdringlich zwischen Glanz und Glitzer verorten kann, inspiriert mit 'Ilomilo' sowohl Rebellen als auch jene, die sich den Konformitäten der Popkultur entziehen wollen. Aber Achtung, diese Strophe trifft jeden, der an einem verkaterten Sonntagmorgen über den Sinn des Lebens sinniert.

'Ilomilo' greift die Metapher eines alten Puzzlespiels auf, in dem es darum geht, zwei verlorene Freunde wieder zu vereinen. Ein Konzept, das in einer fragmentierten Gesellschaft wie unserer Neugier erwecken sollte. Hier wird nostalgisch beklagt, dass man im Leben allzu oft Dinge verliert, und zwar nicht nur Hacktticks wie liberaler Optimismus glauben machen möchte. "Where did you go?" – eine einfache Frage, die dazu provoziert zu hinterfragen, was wirklich von Wert ist in unserer sich stetig wandelnden Welt.

Warum scheinen so viele Menschen diesem melancholischen Pop-Phänomen verfallen? Vielleicht weil Eilish, ohne parteiische Scheuklappen, unverblümt aufzeigt, wie unfertige Gefühle das tägliche Leben bestimmen. Ja, Nostalgie und Verlust könnten leicht aus den Seitenkatalogen einer sentimentalen Predigt stammen, aber hey, warum Demut vorgeben, wenn man einfach zugeben kann, dass die moderne Menschheit allzu gerne in unproduktiven Vergleichen versinkt?

Billie spielt mit den Ängsten und Unsicherheiten, denen sich viele in diesen unruhigen Zeiten wohl oder übel stellen müssen. 'Ilomilo' ist der popmusikalische Ausdruck unserer Unsicherheiten, die nicht durch politische Floskeln abgeschwächt werden. Wo auch immer man sein mag – sei es in der Metropole oder Provinz, keiner bleibt unberührt.

Die musikalische Atmosphäre von 'Ilomilo', ein subtiles Gewebe elektronischer Synthesizer, das einen fast hypnotischen Sog erzeugt, brillant in Szene gesetzt und bestens geeignet, den listigen Hintergedanken der Konsumgesellschaft auszuhebeln. Wer sich hiebei am Klavier melancholischer Töne gefesselt wiederfindet, den ereilt nicht zwangsläufig die Erleuchtung, aber vielleicht ein Moment der Selbstreflexion.

Innerhalb von knapp drei Minuten musikalischen Melodramas findet sich jeder, der sich dieser emotionalen Reise stellt, in der Rolle eines Suchenden wieder. Frei von oberflächlichen Botschaften und Dekaden-Ignoreanz reißt 'Ilomilo' uns aus unserer komfortablen Lethargie.

Man könnte die Frage stellen, warum dieser Song Menschen mit einer bestimmten Geisteshaltung so anzieht. Die Antwort könnte darin liegen, dass Eilish, gestützt von ihrem Bruder Finneas O'Connell als Produzent, einen emotionalen Nagel auf den Kopf trifft, den man in einer Kultur der emotionalen Betäubung oft vermisst.

Vielleicht ist letztendlich die stärkste Aussage von 'Ilomilo' der unausgesprochene Appell, nie aufzuhören, nach den verlorenen Teilen in einem selbst und der Gesellschaft zu suchen. Trotz der gewollten Unzulänglichkeiten, die der Song als Posterchild melancholischer Popkunst darstellt, bleibt festzuhalten, dass gute Musik nicht immer politisch korrekt sein muss. Möge das Lied auch weiterhin jenen Inspiration liefern, die am Powerknopf für Sinnfrage-Maschinen drehen ohne auf bedingungslose Zustimmung zu hoffen.