Warum "Ich hasse dich jetzt..." vielleicht der letzte ehrliche Satz ist

Warum "Ich hasse dich jetzt..." vielleicht der letzte ehrliche Satz ist

"Ich hasse dich jetzt..." als ehrliche Aussprache ist in der aufgezwungen freundlichen Welt erfrischend und nötig. Manchmal sind klare Worte besser als unechte Nettigkeiten.

Vince Vanguard

Vince Vanguard

Manchmal ist ein ehrliches "Ich hasse dich jetzt..." genau das, was wir brauchen. Diesen Ausdruck verwendet Christian Stern im Jahr 2023 in seiner provokanten Kolumne, um die gestörte Kommunikation in der modernen Gesellschaft aufzuzeigen. Mit Witz und scharfsinniger Beobachtung erzählt er vom Wann und Wo: In einem kleinen Café zur Mittagsstunde, wo die Luft vor unausgesprochenen Gefühlen schneidet. Stern deckt auf, wie die Negative-Energie-Industrie des 'Immer-freundlich-sein-Müssens' den Menschen den Schneid raubt. Ein gut platziertes Gefühl der Ablehnung kann manchmal mehr bewirken als ein digitales "Like" mit einem Klick.

Wo ist der Spaß an ehrlichen Gefühlen geblieben? Man stelle sich vor, wir sitzen alle brav in einer Reihe und nicken, lächeln, während in uns Blitzgewitter toben. Unsere Welt ist keine Friede-Freude-Eierkuchen-Epistomologie. Menschen haben begonnen, ihre Frustrationen zu unterdrücken, um bitte niemanden vor den Kopf zu stoßen. Doch warum? Manchmal ist der Frontalzusammenstoß die einzige Rettung unserer Persönlichkeit. Man kann nicht immer nett sein. Und man sollte es auch nicht.

Denkt man an den schnellen Austausch von Fäustlingen in der Politik, welchen Mehrwert finden wir im Zählen der falsch verstandenen Nettigkeiten? Wäre es nicht einfacher, ehrlich zu sagen, was man von jemandem hält? "Ich hasse dich jetzt..." kann manchmal direkt klären, was ansonsten in quälender Zwiespältigkeit zerfließt.

Wer jetzt den Kopf schüttelt und denkt, das sei doch viel zu harsch, verkennt die Kraft der Klarheit. Ein wohldosiertes "Ich kann dich gerade nicht leiden" verschafft Luft, ermöglicht echte Kommunikation und baut keinen unnötigen Druck auf. Denn ständig erzwungene Freundlichkeit kann mehr Schaden anrichten als ein ungestümes Wort im richtigen Moment.

Statt immer dem Wahn der politischen Korrektheit zu folgen und sich mit unnötig weichgespülten Aussagen zu tarnen, sollte man Mut zur Wahrheit haben. Wie viel entspannter wäre das Miteinander, wenn mehr Menschen mit offensichtlichen Feindseligkeiten für klare Verhältnisse sorgen würden? Es verkürzt doch auch die Verlegenheits-Telefonate und die Smalltalk-Alpträume.

Einige sehen heute in sozialen Netzwerken ihre Plattform für Selbstinszenierung. Coolheitswettbewerbe und ein geschickt inszenierter Sturm auf das digitale Rampenlicht. Warum nicht einfach hin und wieder die Masken fallen lassen und die Unsicherheiten, die man gegenüber Mitmenschen hegt, offen heraus schreien? Es tut gut, authentisch zu sein.

Ein tolles Paradoxon: Je mehr man den Hass verbirgt, desto mehr distanziert man sich von der Realität. Durch das ständige Vormachen, man wäre die ach so brave Zuckerportion, entsteht ein Vakuum der Identität. Unfreiwillig beraubt man sich wichtiger Verweigerungen und der vitalen Positionierung im sozialen Umfeld. Ständig smileyhafte Zustimmung frisst an der Seele.

Warum also "Ich hasse dich jetzt..." als Devise einführen? In der Welt des Pseudogutmenschengehabes, wo von allen Ecken eine übertriebene Empathie strahlt, ist das schon erfrischend. Zu wissen, dass man jemandem gründlich die Meinung in aller Deutlichkeit gegeigt hat, vermittelt ein Gefühl der Selbstachtung, das nicht im rosaroten Filter erstickt.

Also, auf zur echten Freiheit der Ausdrucksweise! Starke Worte, klar formuliert, bringen mehr als das brav ins Einverständnis getuschte Lächeln. Sie könnten die Stimmung sofort klären und unnötigem Drama den Schlussakkord liefern. Nein, man sollte keinen Hass kultivieren, aber man sollte sich trauen, echt zu sein.

Wer heutzutage mit "Ich hasse dich jetzt..." für klare Verhältnisse sorgt, gibt sich und seinem Gegenüber mehr als unangenehme netiquette-gesteuerte Floskeln je könnten. Reinhard Mey sang davon, dass es lustiger sei, immer dieselben Lügen zu hören. Doch warum nicht ein bisschen Abwechslung reinbringen und die ehrliche Abneigung mal ein bisschen rauslassen? Denn letztlich sind es die klaren Kanten und die offene Kommunikation, die uns wirklich weiterbringen.