Manchmal braucht man keinen Superhelden in einem Cape, sondern einfach nur normale Menschen, die die Wirklichkeit so sehen, wie sie ist. Das ist der Kern von 'Gewöhnliche Helden', einem packenden Roman von Scott Turow, veröffentlicht im Jahr 2005. Schauplatz ist das späte 20. Jahrhundert der Vereinigten Staaten, als der Hauch des Zweiten Weltkriegs und seine Konsequenzen noch spürbar sind. Der Autor, ein Anwalt mit republikanischen Wurzeln, bringt einen knallharten Realismus mit sich und bietet eine unterkühlte Perspektive auf menschliche Schwächen und Philosophien. Es geht um die komplexe Geschichte eines Sohnes, der die Wahrheit über seinen verstorbenen Vater aufdeckt, einem Veteranen und angeblichen Kriegsverbrecher. Diese Entdeckungsreise findet in einer politisch aufgeladenen Landschaft statt, die auch heute noch von Bedeutung ist.
Erstens, die Charaktere. Turows Figuren sind alles andere als diese stromlinienförmigen, überzogen moralischen Karikaturen, die man so oft in modernen Romanen sieht. Nein, sie haben Träume, Fehler und tiefgehende Überzeugungen. Der Protagonist, Stewart Dubinsky, versucht die Verfehlungen seines Vaters zu verstehen, eines Mannes, der im Dienst seines Landes durchaus moralische Grauzonen betrat. Wäre dies ein Hollywood-Blockbuster, würde man versuchen, alles Schwarz-Weiß zu malen - der Gute gegen den Bösen. Aber Turow bleibt da nüchtern, wenig überraschend für jemanden mit konservativen Ansichten.
Zweitens, das setting. Die Geschichte springt zwischen verschiedenen Epochen und Kriegsbühnen hin und her, was den Leser immer wieder aufs Neue herausfordert. Von den Schlachtfeldern Europas bis hin zu den Nachkriegsgerichtsverhandlungen in Amerika. Es wird das Bild einer Welt gezeichnet, in der nicht jeder Akt der Gewalt eindeutig verurteilt oder verherrlicht wird, sondern nuanciert betrachtet werden muss. Diese Perspektive hebt sich klar von jener ab, die von Schulen, Universitäten und Medien oft fast einseitig präsentiert wird.
Des Weiteren ist die Handlung kein Spaziergang durch den Park, sondern eher ein Marathon durch moralische Dilemmata. Man könnte annehmen, dass hier die liberalen Leser anfangen, nervös mit den Fingern zu trommeln. Wo ist das klare moralische Urteil? Nun, das gibt es so einfach nicht! Turow zeigt, was passiert, wenn Ideale von der Realität eingeholt werden, und das zur Empörung derer, die die Welt lieber in schwarz-weiß sehen möchten.
Der Roman beleuchtet auch die Tücken des Rechtssystems, dem Turow aus seiner professionellen Erfahrung gut kennt. Der Vater des Protagonisten findet sich dem langen Arm des Gesetzes gegenüber, der seine Kriegsaktionen prüft. Die Verhandlungen und rechtlichen Winkelzüge sind beeindruckend. Für Leser, die es gewohnt sind, dass das Rechtssystem immer die „Richtigen“ gewinnt, wird es ein aufweckender Moment sein.
Besonders hervorzuheben ist das persönliche Drama. Dubinskys Suche nach der Wahrheit führt ihn dazu, sich mit den Geistern der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Das ist nicht nur eine persönliche Angelegenheit, sondern eine, die weitreichende Konsequenzen für sein Leben und sein Verständnis von Moral hat. Die liberale Vorstellung eines einfachen und vorgezeichneten moralischen Kompasses wird in Zweifel gezogen. Alles muss überprüft werden, inklusive der Definition von Heldentum und Verrat.
Dann gibt es das Thema Patriotismus. Ein Aspekt, der heutzutage häufig missverstanden wird. Turows Darstellung lädt ein zur Reflexion darüber, was es wirklich bedeutet, ein Held zu sein. Ist es derjenige, der blind Befehle ausführt, oder jemand, der kritisch denkt und sich dem Vaterland auf eine ehrlichere Weise verpflichtet fühlt? Stewart Dubinskys Erzählung stellt diese Fragen ebenso wie er zu Antworten strebt. Helden kommen hier nicht aus Comicstrips, sondern aus realen, gebrochene Realitäten.
Gewöhnliche Helden trifft auch den Nerv in der Diskussion um Kriegsverbrechen und wie sie gesetzlich verarbeitet werden. Die von Stewart gesammelten Beweise führen zu einer unbequemen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit seines Vaters, die sicherlich jeden echten Konservativen in ihrer intellektuellen Auseinandersetzung fesseln würden. Diese entblößt die infantilisierte Darstellung von Recht und Fehl durch die Liberalen.
Am Ende des Tages fordert dieser Roman seinen Leser. Wollen wir die Helden unserer Zeit so sehen, wie sie wirklich sind, oder nur so, wie man es uns beigebracht hat? Und genau hier liegt die Stärke von Turow: Er lädt uns ein, die Welt zu überdenken, so wie sie ist, nicht so, wie sie bequem wäre. Auch wenn das bedeutet, dass die Geschichte nackte, unbequeme Wahrheiten offenbart.