Getriebe Blues: Warum die Deutschen nicht mehr schalten wollen

Getriebe Blues: Warum die Deutschen nicht mehr schalten wollen

Ein erstaunlicher Trend: Die Deutschen tauschen Schaltgetriebe gegen Automatik und riskieren dabei mehr als nur den Verlust eines nostalgischen Gefühls. Der 'Getriebe Blues' ist ein Symbol tieferer gesellschaftlicher Veränderungen.

Vince Vanguard

Vince Vanguard

Es ist fast erstaunlich, aber wahr: In der Heimat des Automobilbaus, wo Ingenieure so gefeiert werden, sind die Deutschen zunehmend bereit, den Ganghebel gegen den Automatikmodus zu tauschen. Der sogenannte "Getriebe Blues" ist nicht nur ein nostalgisches Jammern über vergangene Zeiten, als man stolz, ja fast patriotisch bei jedem Schaltvorgang das Tor zur Freiheit öffnete. Hier geht es um mehr – eine Komplettumstellung im deutschen Denken, die unseren geliebten Schaltwagen zu verdrängen scheint.

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet in einem Land, das das Wort „Autobahn“ in jeden Fahrzeug-Sprachführer der Welt gebrannt hat, die Liebe zum manuellen Schalten schwinden könnte? Ganz gleich, ob man in einem kleinen Dorf in Bayern oder in den Straßen von Berlin unterwegs ist, die Automatik übernimmt. Von den 1970er Jahren bis in die frühen 2000er Jahre war das Schaltgetriebe ein Symbol für Freiheit und Kontrolle – Dinge, die traditionell die Werte einer konservativen Gesellschaft stützen. Doch nun weicht der praktischen Bequemlichkeit.

Sicherlich spielen Technologie und Bequemlichkeit eine Rolle. Der Fortschritt der Automobiltechnik hat die Automatik zweifellos effizienter und zugänglicher gemacht. Einsteigen, Knöpfchen drücken, losfahren – das ist das neue Credo der deutschen Autofahrer. Aber was heißt das für die deutsche Kultur, wenn Bequemlichkeit die Kontrolle über den Weg der Freiheit übernimmt?

Es könnte als eine rein gesellige Veränderung abgetan werden – eine Verlagerung der Präferenzen. Aber hier gibt es eine tiefere sozialpsychologische Frage. Das Schaltgetriebe stand für das Beherrschen der Kräfte eines Motors, eine fast intime Bindung zwischen Mensch und Maschine. War das nicht immer was, das unser Wesen ausmachte? Sicher, Sie werden jetzt argumentieren: „Von wegen, das ist Unsinn! Die neue Generation will ökologisch fahren und der Fortschritt in Richtung Elektrofahrzeuge unterstützt diese Veränderungen.“ Wirklich?

Ökologische Argumente sind allzu oft das leise Flüstern, das gereizte Gemüter zu beruhigen versucht. Nehmen wir jedoch die rosarote Brille ab: Wie oft sieht man auch Elektroautos mit Automatik statt Schaltgetriebe? Die Wahrheit ist, beim Schaltgetriebe braucht es noch immer menschliche Interaktion – das Engagement und den Willen, aktiv zu partizipieren statt sich einer programmierten Steuerung zu ergeben. Man kann sich der Frage kaum entziehen: Rutscht das alles nur in Richtung eines weiteren Anzeichens unserer Bequemlichkeit, dass wir bereit sind, für Bequemlichkeit und Nutzkomfort die Prämien unseres Engagements aufzugeben?

Der Trend zur Automatik kann auch als Konsequenz einer Weichspül-Mentalität gesehen werden, die unseren gesellschaftlichen Diskurs erfasst hat. Die Bereitschaft zur Mehranstrengung, zum manuell Erlernten wird durch die Leichtigkeit der Automatisierung unterminiert. Ist es das, was wir unserer Zukunft – unseren Kindern und Kindeskindern – als Erbe hinterlassen wollen? Eine Kultur, die lieber dem Knopfdruck als dem Fingerdruck Treue schwört?

„Politik der Bequemlichkeit“ ruft das Echo der fortschreitenden Automatisierung hervor. Nutzkomfort ist das Schlagwort der Hersteller, aber auch der Verbraucher. Was bleibt vom Stolz und Selbstbewusstsein von damals? Nur Erinnerungen an männerschweiß-getränkte Sonntage in Garage und Werkstatt, als der häufige Einsatz von Muskelkraft noch ein notwendiges Ritual war?

Getriebe Blues ist also eine spöttische Antwort für jene, die glauben, dass die Zukunft ein unaufhaltsamer Motor von Automatisierung ist, dem wir entgegensehen sollten. Diejenigen, die den Wert harter Arbeit und genuine Kontrolle im Straßenwalzer mit Schaltwagen noch verstehen, erkennen, was auf dem Spiel steht. Millionen Autofans in Deutschland, die Ende der 90er Jahre ihre ersten Fahrten machten, trauern um das leise scheppernde Metallicklingeln eines Schaltstocks.

Es gibt ein Stück Patriotismus in der ungenügsamen Mitfahrtkultur auf unseren Straßen. Während die Technik und Fortschritt in die Art und Weise, wie wir fahren, eingreifen, bleibt uns die Hoffnung, dass wir etwas von dem Geist behalten können, der uns einst den Rang der Autobauer-Herzen eingebrachte. Wer wird danach entscheiden? Ich weiß, dass die Antwort durch die Zeit andeutet, dass die Schaltwagen vielleicht eher in Museen als auf den Straßen zuhause sind.

Aber wie mit allen großen Diskussionen in der Gesellschaft gibt es nur zwei Seiten zur Medaille. Werden wir uns mit der Entfremdung von Steuerkunst und Mechanik abfinden oder die Zeichen der Zeit annehmen und den "Getriebe Blues" mitsingen?

So, während eine glumriöse Geschichte in der Welt der Automobile auf uns hereinbricht, bleibt die Frage an uns: Werden wir das manuelle Schalten ehren oder einfach nur eine weitere Fußnote im Bedauern der Vergangenheit sein? Die Entscheidung liegt bei uns, aber die Konsequenzen sind allgegenwärtig.