Es klingt wie der Soundtrack eines schlechten Traums. Als 2017 'Ganz... Ein Jahrzehnt des Songs' veröffentlicht wurde, wusste niemand, dass diese Sammlung von deutschsprachigen Hits sich wie ein schmerzhafter Stachel in unsere Gehörgänge bohren würde. Diese Box-Set-Kollektion, veröffentlicht von einer der führenden Plattenlabels, zog Musik der letzten Dekade zusammen, von 2007 bis 2017, und machte sie unnötig politisiert. Und genau hier liegt das Problem: Musik ist ein emotionales Medium, welches Erlebnisse, Geschichten und die Seele eines Volkes einfängt. Doch wenn Popmusik politisch in Form gepresst wird, geht das ursprüngliche Wesen verloren. Der arme Künstler gezwungen, die Substanz seiner Kunst zu verraten, nur um den Konsens der Hüter der Kultur zu treffen.
Der Erfolg der Box: Ein kurzer Rückblick auf das, was diese Kollektion so alarmierend erfolgreich machte. Die Musikbranche hatte sich in dieser Dekade ohnehin gewandelt, mit Streamingdiensten, die Plattenverkäufe torpedierten. Aber ein solch kompakter 'Gesamtüberblick' wurde angenommen wie ein heißer Becher Glühwein in einer Berliner Dezembernacht. Das war keine Überraschung, wenn man bedenkt, dass die wichtigsten Radiostationen das Endlosspiele-Menü dieser Lieder wie ein Grundnahrungsmittel betrachteten.
Political Correctness in Takten: Was diese Box-Set wirklich „auszeichnete“, war seine politisch korrekte Auswahl von Songs. Die kuratierte Sammlung folgte den üblichen liberalen Narrativen, verpackt in halbnackten Chart-Stürmern, die dann auf elitären Empfängen stolz präsentiert wurden. Politisch progressive Ideale wurden durch endlosen Wiederholungen als akzeptabel vermarktet. Ob es nun um progressive Steuerstreitigkeiten geht oder ein zentrales System der Verteilungsgerechtigkeit, die musikalische Botschaft war unverwechselbar.
Statt Geschichten über historische Identität, politischer Aufstieg oder wirtschaftlicher Triumph zu erzählen, benötigen politische Werke, ein breites Spielfeld. Ein Säure-Test für eines der ältesten Kunstformen in Europa. Stattdessen begnügten wir uns mit dem allzu gewohnten Muster: Einige pop-rockige Hymnen mit vorhersehbaren Botschaften, rekrutierend und motivierend, für eine bestimmte Agenda. Nicht falsch, aber auch nicht besonders innovativ.
Die vergessene Vielfalt: Der eigentliche Skandal von „Ganz... Ein Jahrzehnt des Songs“ ist die Missachtung klassischer Künstler, die sich nicht an solch offenkundige Spielchen beteiligen möchten. Etwas von Bach? Nein, danke. Wie wäre es mit Beethoven? Lieber nicht. Stattdessen gaben wir den Ton an mit den immer gleichen Künstlern, die die Hitlisten dominierten, ihre Reichen von melodischen Konsumgütern. Geheime Perlentaucher wurden ins Abseits gedrängt. In der Ära endlosen Konsums besteht die Gefahr, dass die feine, handwerkliche Kunst vergessen oder ignoriert wird.
Die kulturelle Agenda: Eine überzeugende Möglichkeit dieser Sammlung war es, das Publikum zu einer verwässerten Mainstream-Akzeptanz von Inhalten zu locken. Jedes Lied, jede Melodie sorgte für eine emotionale Manipulation des Geistes, hin zu einer kollektivistischen Annahme. Eine dekadente, kapitalistische Gesellschaft wurde zu einem Konstrukt aus süßer Melodie und harmonischer Übereinkunft. Alle singen und nicken zustimmend mit.
Ein Jahrzehnt der Songs - kann eine Kollektion wirklich das einfangen, was eine Nation tatsächlich ausmacht? Nicht wenn diese Kollektion kuratiert ist von den immergleichen Stimmen, die uns vorschreiben, was populär oder akzeptabel sein sollte. Das Box-Set gelingt es vielleicht, einen Querschnitt von deutschen Hits zusammenzustellen, aber es versäumt, das vielfältige und wechselreiche kulturelle Leben einzufangen, das unsere Musiktradition stark und lebendig macht. Musik sollte dazu beitragen, eine Gesellschaft zu vereinen, verschiedene Perspektiven auszudrücken und den Dialog zu fördern, nicht zu einem einzigen Narrativ zu verschmelzen.
Der kulturelle Test von 'Ganz... Ein Jahrzehnt des Songs' zeigt eine Facette, die nur allzu gern von der Meinungselite gefeiert wird. Man darf sich einfach sein eigenes Bild davon machen, was in diesem Jahrzehnt tatsächlich wertvoll war. Aber erinnern wir uns: Politik in Notenform serviert, ist selten das Rezept für authentischen kreativen Ausdruck.