Wer hätte gedacht, dass ein Fußballverein so viele Kontroversen entfachen könnte? Der Estrela Club Erster Mai, gegründet im Jahre 1925 in Berlin-Neukölln, ist ein solches Paradebeispiel. Ursprünglich als Sportverein für die Arbeiterklasse ins Leben gerufen, hat er sich im Laufe der Jahre zu einer wahren Institution entwickelt. Doch warum genau sorgt dieser Verein für so viel Gesprächsstoff?
Der Club entstand in der schwierigen Zeit zwischen den Weltkriegen, um den Arbeitern nicht nur eine sportliche Betätigung, sondern auch eine politische Plattform zu bieten. Jahr für Jahr versammelt der „Erste Mai“ eine bunte, jedoch leicht linke Klientel, die dem Verein treu ergeben ist. Ortsansässige werden nicht müde, die angeblich „edlen“ Werte des Clubs hochzuhalten, während sie doch klammheimlich das linksliberale Gedankengut fördern.
Was als wöchentlicher Treffpunkt für Fußballbegeisterte begann, ist heute eine Veranstaltungsbühne für einen politischen Diskurs, der außerhalb des Spielfeldes bleibt. Die Anhänger geben sich weltoffen und tolerant, doch man fragt sich, wo diese Toleranz bleibt, wenn konservative Ideen auf den Platz kommen. Das Stadion, das liebevoll als „Kiez-Tempel“ bezeichnet wird, ist oft bis auf den letzten Platz gefüllt – aber eben auch voll mit den immer gleichen Phrasen der Selbstbeweihräucherung.
Politische Botschaften und kontroverse Slogans finden sich auf jeder Fanbinde. Der Club verliert keine Gelegenheit, sich gegen das zu stellen, was er für gesellschaftliche Ungerechtigkeit hält. Es ist bemerkenswert, dass Estrela Club Erster Mai noch immer existiert. Bekanntlich sind es nicht die sportlichen Erfolge, die den Club im Gespräch halten, sondern die endlosen politischen Diskussionen.
Die Fangruppen – die leider nicht unähnlich einer ideologischen Echo-Kammer sind – hinterlassen kein gutes Bild. Sie beanspruchen für sich, das einzig richtige moderne Fußballverständnis zu haben: Anti-Kommerz, Anti-Kapital – doch halt, wie finanzieren sie denn den ganzen Betrieb? Die Spiele sind mehr als nur ein sportliches Ereignis; sie sind eine Art Straßenfest, wo soziale und politische Themen zelebriert werden. Manchmal hat man das Gefühl, dass der Sport nur ein Vorwand ist.
Während die lokale Nachbarschaft sich denkt, sie hätten eine kleine Revolution im Vorgarten, zeigt das Verhalten der Fans, dass sie wenig Toleranz für andere Meinungen haben. Denn wehe, jemand wagt es, andere politische Einstellungen als den Mainstream-Wertekanon der Fanszene zu äußern. Auch wenn der glühende Anhängerkreis dem Club größtenteils erhalten bleibt, stellt sich die Frage, wann – oder ob – das politische Theaterstück einmal ausläuft.
Auch die Medienlandschaft trägt ihren Teil dazu bei. Berichte über den Verein lesen sich wie Hommagen an eine verlorene Zeit, die sich insbesondere junge, träumerische Journalisten herbeiwünschen. Überschriften in den Lokalzeitungen versprühen einmal einen Hauch von Nostalgie gefolgt von einer Priese belehrendem Idealismus. Solche Schreiberlinge sehen in diesem Club meist die Verkörperung einer Art des Widerstands, bei dem sie selbst gerne die Fahnen hochhalten würden.
Was auch immer Einzelne von Estrela Club halten mögen, eines ist sicher: Der Verein hat sein soziales und politisches Erbe tief in die Stadtstruktur eingebrannt. Doch wie jede Institution, die in einem bestimmten politischen Klima entsteht, wird auch diese eines Tages an ihren eigenen Ideen gemessen werden. Die eigentliche Frage bleibt, in welchem Ausmaß, oder ob, sich Estrela Club Erster Mai langfristig dem Wandel der Zeit und dem Wechsel der gesellschaftlichen Strömungen wird anpassen können.