Wenn der Titel eines Buches auf Anhieb provokant klingt, dann hat es der Autor vermutlich genau richtig gemacht. In diesem Fall geht es um 'Es ist alles in deinem Kopf', ein faszinierendes Werk von Matt Haig, das erstmals 2019 in den Buchläden erschien und die Welt der Selbsthilfe- und Mental Health-Literatur im Sturm eroberte. In Deutschland und auf der ganzen Welt forderte das Buch seine Leser auf, die mentale Gesundheit in einem neuen Licht zu sehen: als etwas, das mehr in den eigenen Händen liegt, als viele bisher geglaubt haben. Für manche ein befreiender Gedanke, für andere ein Affront.
Matt Haig ist ein britischer Autor, der bereits einige Bestseller auf seinem Konto hat, viel Gehör in der Literaturwelt findet und sich nicht scheut, in seinen Büchern persönliche und ungeschönte Einblicke zu geben. 'Es ist alles in deinem Kopf' basiert auf seinen eigenen Erfahrungen mit Depressionen und Angstzuständen. Haig geht es nicht darum, emotionale oder psychische Probleme zu verharmlosen. Vielmehr zeigt er auf, dass der Schlüssel zu unserer mentalen Gesundheit zum Teil bei uns selbst liegt. Ein Gedanke, der nicht jedem behagt.
Viele Menschen sind es gewohnt, äußere Umstände für ihre Mental Health verantwortlich zu machen. Aber wenn Haig uns nun sagt, dass viele unserer Kämpfe im Kopf ausgefochten werden, entspricht das nun so gar nicht der gängigen Auffassung, dass die moderne Welt und ihre Herausforderungen unüberwindbare Feinde sind. Und wer würde sich nicht über die Möglichkeit freuen, die Kontrolle über sein Leben zurückzugewinnen, anstatt sich den Launen der Umwelt zu ergeben?
Für die einen eine längst überfällige Wahrheit, für andere ein Schlag ins Gesicht. Haigs Kernbotschaft: Die inneren Dämonen können nicht besiegt werden, indem man auf die äußeren Umstände schaut. Selbstverantwortung und Reflexion sind harte Arbeit, aber sie verschaffen die Freiheit, die viele vergebens anderswo suchen.
'Die Software in deinem Gehirn' – ein Vergleich, den Haig verwendet, um darzustellen, dass unsere Gedankenmuster programmiert und umprogrammiert werden können. Doch das Konzept ist nicht so simpel, wie es klingt. Es erfordert harte Arbeit, Konsequenz und den Mut, den Status quo infrage zu stellen. Manche ziehen es vor, eine Opferrolle einzunehmen und die Verantwortung von sich zu schieben. Haigs Ansatz prangert diese Tendenz an, anstatt sie zu entschuldigen.
Interessanterweise kommt das Buch ohne erhobenen Zeigefinger aus, sondern schildert unangenehm ehrlich Haigs eigenen Weg durch die Abgründe seiner Psyche. Authentizität, das wohl wichtigste Element, lässt das Buch trotz seiner unbequemen Botschaften zu einem möglichen Anker für viele werden. In einer Welt, die von 'Alles ist möglich'-Mentalität birst, ist es erfrischend und zugleich alarmierend, dass jemand ausspricht, dass Veränderung tatsächlich bei uns selbst beginnt.
Die Gesellschaft findet sich an einem Scheideweg: übernimmt man die Eigenverantwortung für sein Handeln oder erliegt man der Versuchung, immer wieder den äußeren Zwängen die Schuld zu geben? Sicher, äußere Einflüsse existieren und haben Auswirkungen. Doch 'Es ist alles in deinem Kopf' fordert uns auf, die Kontrolle über unser Leben wiederzuerlangen. Eine provokative Haltung, die etwaige sozialpädagogische Konzepte und ihre Anhänger erschüttert.
Was ist schließlich schlimmer: die Möglichkeit der Selbstkontrolle und des inneren Friedens zu ignorieren oder die Chance zu verpassen, die individuelle Freiheit zurückzuerlangen? Wer bereit ist, die Verantwortung für sein Leben zu übernehmen, der findet in diesem Buch einen treuen Wegbegleiter. Haigs Erzählungen sind ein Appell an unsere Willensstärke und vielleicht die nötige Erinnerung, dass wir mehr gestalten können als uns oft zugetraut wird.
In einer Zeit, in der Eigenverantwortung oft mit Belastung verwechselt wird, ist 'Es ist alles in deinem Kopf' eine Aufforderung, die Segel seines Lebens selbst in die Hand zu nehmen. Diesem Ruf nachzukommen, mag anfangs anstrengend sein, aber die Früchte selbstbestimmten Lebens sind süßer und nachhaltiger als die bitteren Pillen, die man schlucken muss, wenn man anderen die Schuld an den eigenen Umständen gibt.
Es bleibt jedem selbst überlassen, was er von diesem Buch mitnimmt. Doch eins ist klar: Es erinnert uns daran, dass der Schlüssel zu unserer geistigen Freiheit in uns selbst liegt. In einer gespaltenen Welt, in der Konzept von 'Opfer' und 'Schuldiger' häufig auf gegensätzlichen Seiten stehen, stößt dieses Buch wichtige Gedanken an. Ob man es am Ende als Weckruf oder als Affront sieht, bleibt jedem selbst überlassen.