Eine Provokation für die Kuschelgesellschaft: Riberas unverschämtes Martyrium des Heiligen Bartholomäus

Eine Provokation für die Kuschelgesellschaft: Riberas unverschämtes Martyrium des Heiligen Bartholomäus

Riberas "Das Martyrium des Heiligen Bartholomäus" von 1630–1640 rüttelt auf und provoziert – eine künstlerische Ode an Mut und Entschlossenheit, in einem gnadenlos realistischen Stil.

Vince Vanguard

Vince Vanguard

In einer Welt, in der Kotau und kulturelle BDSM-Manöver vor dem Zeitgeist zum Standard wurden, steht das Werk „Das Martyrium des Heiligen Bartholomäus“ von Jusepe de Ribera wie ein kräftiger, ungeschliffener Stein inmitten eines Meeres aus Wattebäuschen. Angefertigt zwischen 1630 und 1640, inkludiert dieser brutale Akt der Kunst alles, was man von einem erstklassigen barocken Meister erwarten kann: dunkle Schatten, intensive Emotionen und einen erbarmungslosen Fokus auf Wirklichkeit. Ribera, ein spanischer Bad Boy des Barock, hielt sich zu jener Zeit in Neapel auf, wo er das Martyrium des armen Heiligen Bartholomäus zum Leben erweckte, oder eher gesagt, zum nahenden Tod. Wer nicht ganzjährig auf Weltbesserungs-Workshops festklebt, weiß: Bartholomäus wurde laut christlicher Überlieferung lebendig gehäutet - ein Schicksal, das seinen Nachfahren schwer im Magen liegen könnte, hätten sie welche.

Ribera gehörte zu jenen Künstlern, die nicht am Zeitgeist schnüffelten, sondern ihre eigene Duftmarke setzten. Das Gemälde lädt den Betrachter dazu ein, seiner moralischen Komfortzone einen Tritt zu verpassen und den Schrecken in all seiner detailverliebten Herrlichkeit zu genießen. Die puritanischen Zensoren von heute könnten aufschreien: Was für eine Missetat ist es, solch grausame Bilder zu verherrlichen? Doch darin liegt die Kraft Riberas – er führt uns vor Augen, was wirklich zählt: Charakter, Mut und die Bereitschaft, für seine Überzeugungen zu sterben.

Natürlich ist das kein Bilderbuch-Banana-Story aus dem 21. Jahrhundert, wo selbst die Süßigkeiten in der Kinderabteilung einen Warnhinweis für Herzkranke tragen. Riberas Martyrium ist ein kraftvoller Ausdruck dessen, was es heißt, ein Standpunkt zu sein und nicht ein Schwamm im Wind. Die pulsierenden Farben, der schmerzerfüllte Ausdruck Bartholomäus' und die zentimetergenau platzierten Schattierungen sind ein künstlerischer Lauschangriff auf die zeitgenössische Empfindsamkeit.

Der Schrecken des Bildes hat, also verstehen wir, Methode. Es ist kein Selbstzweck, auch wenn der eine oder andere selbsternannte Kulturkritiker das glauben mag. Nein, Ribera war kein Freund des objektlosen Schreckens, sondern ein Meister der didaktischen Darstellung. In Zeiten religiöser Aufstände und Inquisition, von denen heutige Opferrollen-Enthusiasten nur nebulös träumen können, war das Martyrium ein tägliches Brot. Riberas Werk erinnert uns an jene unbequeme Wahrheit, dass Geschichte nicht immer gesundheitsschonend ist.

Was, wenn ein solches Kunstwerk heute ausgestellt würde? Würde man sich einer Schar von empörten Feuilletonisten stellen müssen, die mit ihren digitalen Mistgabeln bewaffnet sind? Der ästhetische Ansatz Riberas wäre ganz sicher ein fruchtbarer Nährboden für endlose Debatten über Grenzen und Zumutbarkeiten. In einer Welt, in der selbst stilisierte Superhelden mit all ihrer zuckrigen Gutmenschentracht kaum Blut vergießen dürfen, wäre es eine Herausforderung, solch ein unverfälschtes und ungefiltertes Porträt menschlich-religiöser Entschlossenheit zu tolerieren.

Zugegeben, Riberas Werke sind wie die schmerzhaften Wahrheiten, die eine von Idealen berauschte Mehrheit gerne ignoriert. Vielleicht liegt in dieser Schmerzhaftigkeit eine Form von Schönheit, die heutigen Kunstschaffenden fehlt. In einer Epoche, geprägt von der Angst vor Diskurs, ist Riberas Martyrium eine ungenierte Einladung zur Kontemplation über die Fähigkeit, über die gut gepolsterten Grenzen des eigenen Bewusstseins hinauszuschauen. Es bricht mit erzwungener Homogenität und feiert die Differenz. Es erinnert daran, dass dasselbe Bild, das uns erschrecken, auch inspirieren kann. Die Frage bleibt: Sind wir bereit für diese Herausforderung?