Bleiweiß: Das weiße Gold der Maler - und warum es die Kunstwelt erzürnt

Bleiweiß: Das weiße Gold der Maler - und warum es die Kunstwelt erzürnt

Bleiweiß, das strahlende Geheimnis der alten Meisterwerke, polarisiert erneut. Dieser Lieblingswerkstoff von Rembrandt bis Tizian wirft spannende Fragen über Kunst, Konservierung und das konservative Erbe auf.

Vince Vanguard

Vince Vanguard

Manchmal ist ein bisschen Aufruhr gut für die Bemalung der Welt. Bleiweiß, das seit Jahrhunderten die Herzen der Künstler gewinnt, steht wieder einmal im Rampenlicht – zur Verzweiflung einer bestimmten, empfindlichen Gruppe. Ursprünglich in der Antike verwendet, erlebte Bleiweiß in Europa des 16. und 17. Jahrhunderts einen Boom. Es war der Lieblingswerkstoff für Maler wie Rembrandt und Tizian, die erstaunliche Meisterwerke damit schufen. Doch was genau ist Bleiweiß, fragen sich manche. Ganz einfach: ein Blei-Karbonat, strahlend weiß und extrem deckend. Warum Bleiweiß? Weil es die Leinwand zum Leuchten bringt und den Gemälden eine besondere Tiefe verleiht. Und ja, historisch gesehen wurde es auch als Kosmetikum verwendet – während Männer auf dem Schlachtfeld kämpften, tünchten Frauen ihre Gesichter damit. Das ist wahrlich Multitasking.

Der große Haken, den einige nicht verwinden können: Blei. Und hier beginnt das Heulen und Zähneklappern. Die moderne Welt hat eine lebhafte Abneigung gegen Blei entwickelt, was durchaus verständlich ist, wenn man von den gesundheitlichen Risiken hört. Trotzdem sagt das nicht die ganze Geschichte. Ein bisschen Perspektive schadet nie. Im 18. Jahrhundert war Bleiweiß für Maler der Stoff der Götter – unersetzlich und unübertroffen. Keine Acrylfarben, kein neumodischer Kram. Wäre Rembrandt ohne Bleiweiß derselbe Künstler gewesen? Wohl kaum.

Bleiweiß beeinflusste die Wirtschaft im großen Stil – Fabriken schossen wie Pilze aus dem Boden, von Holland bis England. Dort wurde in der berühmten "Stack“-Methode produziert, einer kontrollierten Mehrmonatsreaktion, bei der Essig und CO2 zur Schaffung von Bleiweiß genutzt wurden. Doch während die klassischen Maler schwärmten, brachten industrielle Revolution und Massenproduktion jede Menge von anderer Art hervor – Giftmüll und Umweltverschmutzung inklusive. Aber Halt! Auch hier muss man innehalten. Die alten Meister machten weder ihre Dörfer unsicher noch kippten sie Fleckenfarbe ins Wasser.

Heute verteufeln viele die Materialien der Vergangenheit, ungeachtet ihrer historischen Bedeutung. Einige möchten sogar so weit gehen, Vergangenheit und Kunst zu zensieren. Aber Bleiweiß wird noch heute in der Restaurierung von Kunstwerken eingesetzt, ein notwendiges Übel, wenn wir so sagen dürfen. Zeitgenössische Künstler, die der Tradition treu bleiben, nutzen es weiterhin – natürlich bedacht und in speziellen Umgebungen. Die moderne Technik hat sogar Wege gefunden, sicherere Alternativen zu schaffen, die den strahlenden Effekt von Bleiweiß imitieren.

Die Realität ist, dass Kunst, wie viele Dinge im Leben, Kompromisse erfordert. Das Vergangene gänzlich auszuradieren wäre historischer Vandalismus. Malerei ist ein Ausdrucksmittel, das niemand leichtfertig der Zensur preisgeben sollte. Klar, manche mögen behaupten, dass wir Bleiweiß und seine Vergangenheit vergessen sollen, weil es menschliche Gesundheitsrisiken birgt, doch Kunst ist nun mal nicht ohne Risiko. Subtile Kontroversen mit Bleiweiß bieten jedoch ein spannendes Schlaglicht darauf, wie weit wir bereit sind, Geschichte und ihre Artefakte zu verändern oder gar zu ignorieren.

Selbst in der sichersten Gesellschaft gibt es Anwendungen von Stoffen, die nicht ganz risikofrei sind. Räume für Diskussionen und Kontroversen zu schaffen, ist Teil des kreativen Prozesses und unserer kollektiven menschlichen Evolution. Schätze der Geschichte und Errungenschaften der Kunst bescheren uns Einsicht in unsere Entwicklung als Spezies. Wir leben und lernen – hoffentlich. Bleiweiß, das weiße Gold der Maler, wird daher noch eine Weile die Meinungen spalten und Gemüter erhitzen. Aber es hat uns in der Vergangenheit zu solchen Höhen der Kunst angespornt, dass es viel zu wertvoll ist, um es mit Einschränkungen und hysterischen Befindlichkeiten zurückzulassen.