Wie oft hat man schon den Seufzer „Ach, sag nicht!“ gehört, gefolgt von einer hochgezogenen Augenbraue und einem unerwarteten Sturm der Entrüstung? Es geschah in einem hitzigen Debattenforum in Berlin letztes Jahr, wo die Wortwahl eines Sprechers fast zu einem diplomatischen Eklat führte. Und warum? Weil Wörter Macht haben. Mehr als viele zugeben wollen.
Die Menschheit hat Jahrhunderte verbracht, eine Sprache zu entwickeln, die unsere komplexe Realität reflektieren kann. Doch scheint es eine ungeschriebene Regel zu geben, dass einige Wörter tabu sind. Man könnte meinen, dass diese Worte magische Kräfte besitzen. Es ist geradezu irrsinnig, dass eine Phrase wie „Bitte sag nicht“ so viel staubiges Gewicht tragen kann, als würde sie Bücherbände voller verbotener Weisheit verbergen.
Wer sind diese Wächter der Sprachreinheit, die uns vorschreiben wollen, was zu sagen ist und was nicht? Sie nennen sich oft Sprachaktivisten, jene selbsternannten Kommentatoren des Sprachgebrauchs, die meinen, sie könnten uns in unserer Kommunikation bevormunden. Warum erlauben wir ihnen dies? Gilt doch die Meinungsfreiheit als ein Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Lasst uns tiefer in die Materie der Sprachzensur vorstoßen und den Schleier heben.
Erstens haben wir die Klassiker wie „political correctness“, die wie eine Dampfwalze über jahrzehntealte Traditionen rollt. Hier geht es weniger um Respekt als viel mehr um Kontrolle. Der wahre Grund, warum bestimmte Begriffe oder Themen vermieden werden sollten, ist oft ein Zusammenspiel aus Macht und Ideologie. Es darf nicht sein, dass ein Individuum in einer demokratischen Gesellschaft davon abgehalten wird, etwas zu sagen, nur weil es einer anderen Gruppe nicht passt.
Zweitens stößt man auf vermeintlich „neue“ Sprachregeln, die stilistisch das 21. Jahrhundert bestimmen sollen. Formen des 'Neusprech', die uns erzählen, dass gewisse Begriffe nicht mehr verwendet werden sollten, weil sie „veraltet“ oder „potenziell beleidigend“ sind. Als ob wir die Sprache säubern müssten, um uns ins moralische Reine zu waschen. Man fragt sich hier, welche Subliminalnachrichten in diese neuen Sprachgebote eingeschleust werden sollen.
Dann gibt es diejenigen Momente, in denen in der Bildung die Bremse gezogen wird; Diskussionsthemen werden gemieden, weil sie unbequem sein könnten. Wächter der Sprache scheinen zu vergessen, dass die Universität eine Plattform für den Austausch kritischer Gedanken und Debatten sein sollte, nicht eine Zone der Sprachsäuberung.
Nun wären wir tatsächlich ignorant, zu leugnen, dass Sprache Wirkung hat. Aber lasst uns diese Wirkung bitte nicht als Vorwand nutzen, um den freien Austausch von Ideen zu unterdrücken. Ein Grundpfeiler der traditionellen Werte ist die Offenheit zur Diskussion. Worte zu vermeiden, heißt in gewisser Hinsicht auch, die Realität zu leugnen. Warum soll man sich dann überhaupt unterhalten?
Eines der oft zitierten Beispiele ist der Appell, dass man auf bestimmte Bereiche ganz und gar verzichten soll – dass gewisse Ideen nicht einmal gedacht werden sollten. Das ist nicht nur irrational, sondern auch ein Abstecher in den Totalitarismus. Wollen wir wirklich eine Gesellschaft, in der Diskussionen in kleinere, abgesperrte Zonen gedrängt werden?
Schließlich stellt sich die Frage, wo wir eine Grenze ziehen. Wenn wir zulassen, dass andere entscheiden, was gesagt werden kann, warum sollten wir dann nicht ebenso gut die Kontrolle über unser gesamtes Leben abgeben? Es ist erschreckend wie viele sich dem Willen der „Bitte sag nicht“-Enthusiasten beugen, als sei ihr Urteil das letzte.
Daher der Aufruf: Entsichern wir unsere Worte! Statt den „Keine-Kritik-Zonen“ eine Plattform zu bieten, lasst uns in die Offensive gehen. Es ist Zeit, die Sprachrituale zu entwirren und ein Tapetendruck der Wahrheit in unsere alltägliche Kommunikation zu bringen. Gerade in einer Zeit, in der gefühlter Dissens allzu oft mit Vehemenz und Emotionalität gleichgesetzt wird, sollten wir uns nicht verstecken.
Worte sind nicht unsere Feinde, sie sind Werkzeuge, die zur Offenlegung der Wirklichkeit beitragen sollen. Vielleicht sind diejenigen, die am lautesten „Bitte sag nicht“ rufen, die wahren Saboteure der offenen Gesellschaft. Die Wahl liegt bei uns: Lassen wir uns durch verbale Ketten binden oder brechen wir sie, um mutig die breite Palette menschlicher Erlebnisse zu erkunden?